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Die Prophezeiung von Umbria

Die Prophezeiung von Umbria

Titel: Die Prophezeiung von Umbria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Hale
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Pferd bewachen. Vielleicht bestand Maura ja darauf, während der dunkelsten Nachtstunde die Wache zu übernehmen. Dann konnte er ein wenig Schlaf bekommen.
    Nachdem er sich vorsichtig umgeschaut hatte, ob auch niemand in Hörweite war, flüsterte Rath: “Es ist alles ruhig. Du kannst jetzt rauskommen.”
    Als er keine Antwort bekam, fragte er: “Maura? Bist du wach?”
    Ihm war, als hörte er ein leises Rascheln.
    “Maura?” Er bohrte den Arm bis zur Schulter ins Heu. “Ist alles in Ordnung?”
    Sein wild hämmerndes Herz beruhigte sich etwas, als seine Hand ihren Arm umfasste. “Verzeih, ich wollte dich nicht wecken. Ich habe mir nur Sorgen gemacht …”
    Moment! Dieser Ärmel fühlte sich nicht wie Mauras wollene Tunika an.
    Rath zog und zerrte, und zum Vorschein kam ein zappelnder kleiner Junge, den er, wie es sich herausstellte, am linken Bein gepackt hatte.
    Es war ein widerspenstiges und unterernährtes Bürschchen, wie Rath schon so viele auf dem langen Ritt durch das Herz von Westborne gesehen hatte. An seiner linken Hand fehlte ihm der kleine Finger, und sein Gesicht hatte schwarze Streifen.
    Das verwirrte Rath für einen Augenblick, bis er erkannte, dass der Junge anscheinend versucht hatte, sich das Haar zu färben. Wahrscheinlich mit Ruß, der ihm dann über das Gesicht gelaufen war, als er zu schwitzen anfing.
    “Oh, du bist's nur”, murmelte Rath auf Comtung. Er hatte ihn ganz vergessen.
    “Lass mich los!” Schlange wand sich wie seine Namensvetterin. “Ich hab' nichts getan! Hab' mich versteckt, wie es mir die Dame befohlen hat.”
    Rath ließ das Bein des Kleinen los, doch bevor er wegrennen konnte, packte er ihn an seinem Mantel. Es war ein viel zu großer Männermantel. Jemand hatte ungeschickt die Hälfte der Ärmel abgeschnitten.
    “Wo ist die Dame?” Rath schüttelte den Jungen tüchtig durch. Er wusste aus eigener Erfahrung, dass Schlange nichts Gutes im Schilde führte. “Wenn du ihr etwas getan hast …”
    Der Junge hörte jäh auf zu zappeln.
    “Seh' ich so blöd aus?” Er warf Rath einen empörten Blick zu. “Warum sollte ich dem einzigen Menschen wehtun, der jemals gut zu mir gewesen ist?”
    Die Worte trafen Rath mit solcher Wucht, wie sie der Junge mit all seiner Kraft nicht hätte aufbringen können. Das hieß aber noch lange nicht, dass er Schlange traute. Rath hatte zu viele wie ihn gekannt – und war ihm selbst einmal sehr ähnlich gewesen.
    “Wo ist sie dann?”, knurrte er.
    Der Junge zuckte die knochigen Schultern und bekam von Rath dafür eine Kopfnuss. “Gleich nachdem wir angehalten haben, hörte sie jemanden weinen. Sie ging nachschauen. Sagte, ich sollte hier bleiben. Das ist alles, was ich weiß.”
    Rath fluchte. Dann ging er ein Risiko ein, das er sicher nicht eingegangen wäre, hätte er mehr Zeit zum Nachdenken gehabt.
    “Ich gehe sie suchen”, sagte er zu dem Jungen. “Bleib hier und pass auf das Pferd und das Heu auf. Schrei so laut du kannst, wenn es Ärger gibt, und ich komme sofort gerannt.”
    Der Junge nickte.
    Zumindest glaubte Rath das. Er war viel zu sehr damit beschäftigt, sich um Maura zu sorgen und sich zu fragen, wohin sie gegangen war. Wenn jemand weinte, bedeutete das meist nichts Gutes. Man sollte dann fernbleiben und sich nicht auch noch auf die Suche machen.
    Wenn er schon sein Herz an eine Frau verlieren musste, warum konnte es dann nicht eine sein, die nicht dauernd Kopf und Kragen riskierte?
    Weil es genau das ist, was ich an ihr … liebe, sagte er sich, während er die Runde über den Hof machte, nach verborgenen Winkeln suchte und wartete, dass er Mauras Stimme hörte. Er konnte das Wort ruhig benutzen, zumindest in Gedanken. Wenn er dem Gefühl einen anderen Namen gab, wurde es dadurch auch nicht schwächer.
    Er
liebte
ihr ungeheures Bedürfnis, anderen zu helfen, besonders Leuten, denen sonst keiner half, beispielsweise einem Gesetzlosen – wie ihm.
    Doch vielleicht sah sie einen Nutzen in dem, was sie tat, einen Nutzen, der so unfassbar war wie ihr Allgeber. Und vielleicht genauso stark.
    Wo war sie?
    Am liebsten hätte er ihren Namen so laut er konnte herausgebrüllt. Aber er wagte nicht, dadurch die Aufmerksamkeit anderer auf sich oder auf sie zu ziehen.
    Als er endlich ihr leises Gemurmel hörte, fühlte er sich so erleichtert, dass ihm ganz schwindlig wurde. Er folgte der Stimme bis zu einer engen Öffnung zwischen dem Haupthaus und dem Seitenflügel. Plötzlich öffnete sich die Tür des Gasthofes und zwei

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