Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
Küche, nahm zwei Toastbrotscheiben aus einer Packung und schob sie in seinen St.-Pauli-Toaster, der nach ein paar Minuten auf jeder Scheibe einen eingebrannten Totenkopf hinterließ. Während Schönlieb das Toast mit Honig beschmierte, dachte er an die vielen ihm fremden Menschen, von denen er nur durch die Wand, an die er lehnte, getrennt war.
Manchmal wünschte er sich, er wäre jemand, der einfach hinübergehen und mitfeiern würde. Doch der Impuls, es tatsächlich zu tun, der fehlte ihm. Fremde Menschen bereiteten ihm Unbehagen, ja manchmal sogar Angst. Er konnte nicht genau sagen, woran das lag, vielleicht war es der Kontrollverlust, nicht zu wissen, worauf man sich einließ und wen man vor sich haben würde, der diese Gefühle in ihm hervorrief. Eine Mauer baute sich dann vor ihm auf. Manchmal schaffte er es, sie zu überwinden. Selten.
Er nahm das Toast in die Hand und biss ab.
In der Nachbarwohnung sangen sie jetzt ein Lied von DJ Ötzi, und so wie es dazu polterte, sprangen sie dabei wild durch die Wohnung. Da war sicherlich eine Menge Alkohol im Spiel. Vielleicht auch andere Drogen. Mitch machte, auch gegenüber Schönlieb, kein Geheimnis daraus, dass er ab und zu Drogen konsumierte, und hatte Schönlieb schon mehrmals auf einen Joint eingeladen und ihn einmal sogar gefragt, ob er nicht eine Nase mit ihm durchziehen wolle.
Schönlieb hatte ihn nur davor gewarnt, dass er ihn gleich verhaften würde, wenn er ihn nicht sofort in Ruhe ließ, und abgelehnt.
Drogen. Schönlieb musste an die Ritalinpackungen in Huynhs Zimmer denken. Er konnte sich schwer vorstellen, dass Huynh, wenn er mit den Pillen gehandelt hat, das Ganze alleine tat. Es gab immer mehrere Personen, die in so etwas verwickelt waren. Irgendwo musste Huynh die Tabletten besorgen und diese dann in der Uni unauffällig verkaufen. So etwas schaffte man kaum alleine.
Doch wenn sie einfach so, als Polizisten, in die Uni gingen und die Studenten befragten, würden sie keine Antworten bekommen, da war er sich sicher.
Wer würde schon freiwillig zugeben, irgendwelche Pillen zur Leistungssteigerung geschluckt zu haben, oder gar verraten, von wem er diese Pillen bekam?
Wie sollten sie so herausfinden, wer Huynh beim Verkauf unterstützte?
Das DJ-Ötzi-Lied klang langsam aus. Mehrere schrille Frauenstimmen forderten jetzt lauthals einen erneuten Auftritt der Backstreet Boys, immer wieder riefen sie laut »Backstreet Boys, Backstreet Boys«. Hätte es Schönlieb nicht besser gewusst, hätte man vermuten können, dass nebenan tatsächlich ein Konzert der Boyband stattfand. Wie sollte er so jemals schlafen, um morgen fit zu sein, wenn sie sich im Büro trafen? Er musste an Wallner denken, der alte Griesgram lag bestimmt schon in seinem Bett und schlief in aller Ruhe, der hatte bestimmt nicht so einen wild gewordenen Nachbarn. Schönlieb stellte sich vor, wie Wallner wohl auf eine Singstar-Party von Mitch reagieren würde, und musste bei dem Gedanken schmunzeln, wie Mitch versuchte, Wallner zum Singen eines der Lieder der Backstreet Boys zu animieren. Wahrscheinlich kannte Wallner die Backstreet Boys nicht mal, der war ja eine ganz andere Generation. Nicht umsonst spielte er immer wieder auf Schönliebs Alter an. Wie am Tatort, als er zu ihm gesagt hatte: »Der ist sogar noch jünger als du.« Was daran wohl schlimm sein sollte, dass Schönlieb nicht älter als der Student war?
Plötzlich kam Schönlieb eine Idee.
Wallner hatte recht. Schönlieb sah jung aus, und man würde ihm ohne Weiteres abnehmen, dass er ein Student war. Vielleicht war das die Möglichkeit, an Informationen zu kommen. Er konnte sich als Student ausgeben und sich so unauffällig umhören, ob irgendjemand an der Uni Ritalin verkaufte.
Schönlieb wurde warm. Ob er Holding überzeugen konnte, diesen Versuch zu wagen? Gleich morgen würde er es mit ihnen besprechen.
Kapitel 8
Schönlieb schnäuzte kräftig in ein Taschentuch und warf es in den Mülleimer. Danach nahm er gleich noch eines aus der Packung und wiederholte das Ganze. Es hatte ihn ziemlich erwischt, und dass er letzte Nacht gerade einmal zwei Stunden richtig geschlafen hatte, verbesserte seinen Gesamtzustand nicht gerade.
In Gedanken verfluchte er noch immer Mitch, dessen Party bis zum frühen Morgen gegangen war. Die Gesangsproben von ihm und seinen Gästen hatten Schönlieb nur sehr schwer einschlafen lassen. Andererseits konnte Mitch nicht wissen, dass Schönlieb heute, an einem Sonntag, arbeiten musste. Er hätte
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