Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
Reihe Fahrradständer befand. Doch mehr gab es nicht zu sehen. Die beiden verabschiedeten sich, und Johann ging in das Gebäude hinein. Der andere Student ging die Treppen hinunter in die Richtung, aus der Schönlieb kam. Kurz überlegte Schönlieb, ob er die Deckung und seine Tarnung aufgeben, sich als Polizist zu erkennen geben und den Studenten filzen sollte. Doch dann musste er auch einen Treffer landen. Was, wenn es doch etwas ganz Harmloses gewesen war, was Johann ihm verkauft hatte? Schönlieb war sich zwar ziemlich sicher, dass dem nicht so war, aber er wollte das Risiko nicht eingehen. Er war auf dem richtigen Weg, das spürte er, und auf eine gewisse Weise freute ihn das. Er würde auf Nummer sicher gehen, und dann würde er sich Johann vorknöpfen.
Schnell lief Schönlieb zum Eingang des Rechtshauses und folgte Johann. Er konnte ihn gerade noch am Ende des langen Flures verschwinden sehen. Johann ging nach rechts. Vermutlich zu den Schließfächern. Schönlieb folgte ihm, doch als er bei den Schließfächern ankam, war von Johann nichts mehr zu sehen. Stattdessen sah er an einem Schließfach das Mädchen stehen, das Johann gestern in der Mensa begrüßt hatte. Er ging zur ihr hin.
»Hey.«
Das Mädchen drehte sich um, musterte ihn kurz und zog dabei ganz leicht die Augenbrauen hoch.
»Erinnerst du dich? Ich war gestern mit Johann in der Mensa«, sagte Schönlieb, und er hatte dabei das Gefühl, dass seine Stimme unnatürlich hell wurde.
»Aha.« Sie drehte sich wieder zu ihrem Schließfach.
»Hast du ihn zufällig gesehen?«, fragte Schönlieb weiter. Plötzlich hatte er eine Idee. Einen Versuch war es wert. »Ich wollte etwas von ihm … Du weißt schon.«
Die junge Studentin drehte sich erneut zu ihm um und musterte ihn misstrauisch.
»Zum Lernen?«, fragte sie. Schönlieb nickte. »Keine Ahnung, wo er steckt. Habe ihn heute auch noch nicht gesehen. Hier gibt es halt zu viele von uns.« Plötzlich lächelte sie. Schönlieb hatte keine Ahnung, was er angestellt hatte, dass sie ihn plötzlich anlächelte, nachdem er vorher der größte Idiot gewesen zu sein schien.
»Hast du auch Probleme? Mit der Konzentration?«, fragte sie ihn. Plötzlich knallte sie ihr Schließfach zu und drehte blitzschnell den Schlüssel herum.
»Wow!« Schönlieb wich erschrocken zurück.
»Das muss man so machen. Dann funktionieren die Fächer auch mit zwanzig Cent statt mit einem Euro«, erklärte sie lächelnd ihre rabiate Schließtechnik. »Ich hatte halt nur zwanzig Cent.« Schönlieb brauchte kurz, um sich zu fangen.
»Ja, genau, die Konzentration«, sagte er und blickte dabei auf den Boden. Nicht beim Lügen auf den Boden blicken! Schnell riss er die Augen wieder hoch und sah das Mädchen direkt an. Sie hatte dunkelbraune Augen, die schwarzen Pupillen konnte man darin fast nicht ausmachen. Kurz hielt sie seinem Blick stand, dann drehte sie sich um und öffnete ihr Schließfach wieder. Sie wühlte darin herum, zog ein kleines durchsichtiges Plastiktütchen heraus, öffnete es und zog zwei kleine weiße Tabletten heraus. Sie streckte Schönlieb die flache Hand entgegen, in deren Mitte die zwei Tabletten lagen. Sie hatte die Ärmel hochgekrempelt, und auf der Innenseite ihres Unterarms hatte sie ein kleines Rosentattoo. Schönlieb nahm die Tabletten in die Hand und betrachtete sie. In der Mitte hatten sie eine tiefe Einkerbung, und auf beiden Seiten war ein kleines »L« eingestanzt.
»Die wolltest du doch, oder nicht?«, fragte das Mädchen. »Ich gebe dir zwei ab. Ich bin heute großzügig. Wenn du mehr willst, musst du allerdings zu Johann gehen.«
»Danke«, sagte Schönlieb etwas irritiert und zuckte zusammen, als sie ihren Schrank erneut zuknallte.
»Ich bin übrigens Anna«, sagte sie mit einem Augenzwinkern. Dann verschwand sie und ließ Schönlieb bei den Schließfächern stehen. Mit zwei Ritalintabletten in der Hand.
Kapitel 12
Ein kalter Wind schlug ihm von der Elbseite her ins Gesicht. Schönlieb hatte die Hände in seiner Manteltasche. Mit der rechten Hand fühlte er die Tabletten, die er in ein Taschentuch gewickelt und anschließend in seine Manteltasche gesteckt hatte. Auf dem Weg hatte er darüber nachgedacht, was er mit den Tabletten machen solle. Dabei war ihm immer wieder der Gedanke gekommen, eine Tablette auszuprobieren. Es faszinierte ihn, dass einige der Studenten das Ritalin anscheinend ganz ohne Angst vor Nebenwirkungen nahmen, und es interessierte ihn, ob man eine Wirkung wirklich
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