Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
von Freunden in der »realen Welt« schon nicht verstand, allerdings auch nicht überraschte.
Mittlerweile saßen sie zusammen vor Schönliebs Computer und starrten auf die Profilseite von Huynh.
R.I.P., lieber Huynh, wir werden dich nie vergessen ,
stand da, geschrieben von einem gewissen Markus. Woher wusste dieser Markus von dem Tod? Schönlieb scrollte weiter nach unten.
Etwas weiter unten konnte Schönlieb den ersten Eintrag ausmachen, der über den Tod von Huynh berichtete. Er stammte von Johann Sattler.
Huynh ist tot, kein Scheiß. Ich habe es eben aus sicherer Quelle erfahren. Mehr kann ich nicht schreiben. Das ist so schrecklich. Ich trauere unendlich. R.I.P.
Vor 2 Stunden stand unter dem Beitrag als Zeitangabe. Johann musste den Beitrag, kurz nachdem sie ihn verlassen hatten, geschrieben haben. Schönlieb überflog noch ein paar Einträge, die alle ihr Mitleid bekundeten. Er fand es irgendwie richtig widerlich. Wenigstens hatte niemand den »Gefällt mir«-Button unter einem der Pinnwandeinträge gedrückt.
»Also davon halte ich nichts.« Wallner saß neben ihm und schüttelte den Kopf.
Schönlieb wollte gerade auf den »Freunde«-Button klicken, um Wallner zu zeigen, wo sie vielleicht Huynhs Verbindung zu einem Mediziner namens Max finden konnten, als die Tür ihres Büros erneut geöffnet wurde. Wieder war es Birtes Kopf, der ins Zimmer lugte. Sie sah die beiden an und grinste.
»Ach, das sieht ja nett aus, wie ihr da so eng nebeneinander vor dem Computer sitzt.« Es war kein Geheimnis, dass sich Wallner und Schönlieb nicht sehr gut verstanden. Birte war eine von denen, die immer noch hofften, dass die beiden eines Tages doch noch die besten Freunde würden.
Schönlieb und Wallner schauten sich kurz an, schnell rückte Wallner demonstrativ ein bisschen von Schönlieb weg. Birtes Grinsen verschwand.
»Weswegen ich euch störe: Da ist so ein junger Typ mit seinem Anwalt. Er sagt, er will zu euch.«
Schönliebs heimliche Hoffnung, der wahre Mörder würde sich stellen und der Fall urplötzlich auf einfache Weise seinen Abschluss finden, zerschlug sich schnell.
Alexander Röhnsdorf rutschte auf dem Stuhl hin und her und schaute Wallner und Schönlieb abwechselnd nervös an. Seine Stirn war von einem dünnen Schweißfilm bedeckt und glänzte. Neben ihm saß sein Anwalt. Alexander Röhnsdorf hatte von Johann Sattler erfahren, dass die Polizei von dem Streit zwischen ihm und Huynh wusste. Nachdem er seinem Vater, einem Hamburger Anwalt für Wirtschaftsrecht, von der Sache erzählt hatte, war dieser der Meinung gewesen, es wäre besser, wenn Alexander, mit einem sehr guten Anwalt im Gepäck, selbstständig bei der Polizei vorsprechen würde.
Nicht dass es am Ende noch zu Missverständnissen kam, die auch mal in Zeitungen landen könnten, wenn sie jemand in den falschen Hals bekam.
Sie saßen zu viert im Büro von Wallner und Schönlieb. Jeder von ihnen hatte eine Tasse mit schlechtem Kaffee vor sich.
»Worum genau ging es bei dem Streit?«, fragte Schönlieb
»Ach, nichts«, antwortete Alexander genervt. »Belangloser Scheiß. Wir haben das ein paar Tage später unter vier Augen geklärt. Wie das Männer so machen: Bierchen zusammen trinken, und gut ist.«
»Machen Männer das so?«, fragte Schönlieb und schaute von seiner Kaffeetasse auf.
»Jau«, sagte Alexander und wippte leicht nach vorne.
»Ich weiß, dass es um Marie ging«, legte Schönlieb nach. »Du hast sie angemacht, sie sogar angegrapscht? Das fand Huynh natürlich überhaupt nicht gut und hat dir eins auf die Fresse gegeben. Stimmt’s?«
Der Anwalt von Alexander zog die Augenbraue hoch. Ihm schien der Ton von Schönlieb nicht zu gefallen, oder er war solche Umgangssprache nicht gewohnt.
»Nein!«, rief Alexander. »Nein, das ist doch Quatsch!«
Der Anwalt legte Alexander kurz die Hand auf den Arm und nickte ihm beruhigend zu.
»Du musst dich zu dem Streit nicht äußern, Alexander, wenn du das Gefühl hast, das könnte dich belasten.«
Schönlieb setzte ein übertriebenes, unehrliches Lächeln auf und nickte dem Anwalt zu. Alexander sprach dennoch weiter.
»Ich will aber dazu etwas sagen, weil es mich überhaupt nicht belastet. Wieso sollte mich das belasten? Ich habe doch nichts gemacht.« Er rutschte etwas heftiger auf dem Stuhl hin und her und wippte unkoordiniert mit dem Oberkörper.
Nichts an Alexander erinnerte mehr an den coolen Studenten, neben dem Schönlieb in der Uni gesessen hatte und dem er wie ein Idiot
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