Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
nicht?«
»Nein.«
Schönlieb stockte kurz. Na gut, dann halt nicht, du alte Schreckschraube . Er holte seinen Ausweis hervor und hielt ihn ihr vor die Nase. Sie musterte den Ausweis.
»Haben Sie auch eine Visitenkarte?«
»Eine Visitenkarte, wieso?«
»Dann kann ich Sie in das Programm einpflegen, dass mache ich mit allen Besuchern so. Falls der Professor mal Rückfragen hat.«
Diese Frau war die geborene Sekretärin. Schönlieb wühlte kurz in seiner Tasche und zog eine seiner zerknitterten Visitenkarten heraus. Die Frau sah sie grimmig an, nahm sie entgegen und strich sie erst einmal glatt. In dem Moment ging die Flügeltür auf, und Professor Meiningers Kopf schaute heraus.
»Habe ich hier Stimmen gehört?«, fragte er fröhlich. Als Meininger Schönlieb sah, wandelte sich sein Gesichtsausdruck sofort zu einem übertriebenen Grinsen. »Kommissar Schönlieb! Schön, dass Sie da sind.«
Schönlieb gab ihm die Hand, und sie schlossen die Tür hinter sich. Professor Meininger fragte Schönlieb kurz nach dem aktuellen Ermittlungsstand, und Schönlieb gab ausweichende Antworten, hatte jedoch das Gefühl, dass der Professor ohnehin nicht wirklich daran interessiert war, was Schönlieb ganz recht war. Seine eigentlichen Fragen, so hatte er es sich vorgenommen, wollte er ohnehin erst stellen, nachdem sie über die Beschwerde geredet hatten.
»Ja …« Meininger machte eine kurze Pause und räusperte sich leicht. »… dann nehmen wir uns mal der anderen Sache an.«
Er erläuterte Schönlieb, in welchem Gewissenskonflikt er sich befand: Der Mann vom Sicherheitsdienst sei ein langjähriger Mitarbeiter, auf den man sich immer verlassen konnte. Genauso sollte der alte Mann sich nun doch eigentlich auch auf den Professor verlassen können. Oder nicht, Kommissar Schönlieb? – Doch, doch, sicher! (Leck mich am Arsch, und komm auf den Punkt!) Andererseits verstehe er natürlich auch, dass bei der Polizeiarbeit viel Druck im Spiel sei und bla bla bla man auch mal überreagiere. Schönlieb hörte Professor Meininger kaum zu. Er nickte ab und zu mal und hoffte, dass Meininger bald am Ende seiner Konflikte ankommen und Schönlieb ein konkretes Angebot machen würde. In der Zwischenzeit schaute er sich unauffällig in dem kleinen Büro um. Es war langweilig in Grautönen gehalten, die Biederkeit schlug einem ins Gesicht, und Schönlieb hatte plötzlich das dringende Bedürfnis, die pedantisch sauber aufgereihten Kugelschreiber des Professors mit einem Handstreich von der Tischplatte zu wischen. Ebenso wie den großen, in schwarzem Leder gebundenen Kalender, der parallel zur Tastatur lag – offen. Schönlieb richtete sich leicht auf, konnte den Inhalt aber nur schwer und über Kopf sehen, doch ihm fiel sofort eine kleine, mit Kugelschreiber gezeichnete Rose im Kalender auf. Die Datumsangabe war leider zu klein, Schönlieb konnte nicht erkennen, um welchen Tag es sich handelte. Irgendwann im Dezember. Vermutlich hatte Meininger da seinen Hochzeitstag … oder so. Andererseits schien er nicht romantisch genug veranlagt, dass er dafür extra eine Rose in den Kalender zeichnete.
»… bin ich bereit, die Sache unter den Tisch fallen zu lassen«, bot Meininger endlich an. Unter den Tisch fallen lassen? Schönlieb fand wieder Interesse am Gespräch. »Herrn Bauer sage ich natürlich, ich hätte alles in die Wege geleitet. Das wird er eh nicht kontrollieren können und zufrieden sein.«
»Das klingt sehr gut. Danke.«
»Ich will doch auch, dass Sie Ihre Arbeit gut machen können und dabei nicht noch von der Dienstaufsicht belästigt werden wegen so eines … dummen … Vorfalls«, sülzte Meininger weiter.
Schönlieb musterte den Professor. Dass dieser ihm anbot, die Sache einfach so vergessen zu lassen, überraschte ihn jetzt doch. Aber so ganz traute er dem Frieden noch nicht. Der Professor wirkte auf Schönlieb nicht wie einer, der einem einen Gefallen ohne Eigennutz tat.
»Ja … Na dann, wäre das ja geklärt«, brachte Schönlieb erst einmal nur heraus. Vielleicht war die Sache ja doch einfacher, als er gedacht hatte? Einen kurzen Moment saßen die beiden sich still gegenüber. Dann erhob sich der Professor, gab Schönlieb die Hand und ging anschließend noch ein paar Schritte mit ihm zur Tür. Die beiden verabschiedeten sich. Als Schönlieb schon fast aus der Tür war, drehte er sich noch einmal um. Er hatte sich während des Gesprächs überlegt, wann er seine Fragen einstreuen sollte, und sich für die
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