Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
erschrocken an, blickte dann aber genervt auf ihren Kaffee. Der Witz war offensichtlich nach hinten losgegangen.
»Ha ha. Sehr lustig«, sagte sie gereizt. »Schön zu wissen, was du von mir hältst.«
Schönlieb wollte erwidern, dass er das so doch gar nicht gemeint hatte, doch Anna ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. »Ich muss jetzt auch los. Immerhin bin ich eine echte Studentin und muss wirklich in Vorlesungen, um dann meine echten Prüfungen zu schaffen. Auch ohne Sonderbehandlung durch den Prof.«
Plötzlich musste Schönlieb an die Gerüchte über Professor Meininger und seine Vorliebe für Studentinnen denken, von denen Johann ihm erzählt hatte.
»Wer ist eigentlich dein Prüfer?«
»Professor Meininger«, sagte Anna. »Warum?«
»Nur so.« Schönlieb musste jetzt behutsam vorgehen. »Eigentlich nicht nur so … ich meine … stimmt es eigentlich, dass Professor Meininger … seine weiblichen Prüflinge … anders behandelt als die männlichen?«
»Wie meinst du das?«
»Hast du jemals mitbekommen, dass er jemandem angeboten hat, dass er … also …« Schönlieb atmete tief durch. »Hat er jemals ein … besonderes Verhältnis zu einer Studentin gehabt oder ihr sogar gute Noten in Aussicht gestellt, wenn sie … also … nett zu ihm ist?«
»Ist das dein Ernst?« Sie sah Schönlieb entgeistert an und griff nach ihrer Tasche. »Hast du etwa ein paar Gerüchte gehört und hältst die sofort für wahr?«
»Nein, ich dachte ja nur … Meininger hat dir also nie angeboten, dass er … wenn du …«
»Nein«, sagte Anna wütend und stand auf. »Er ist mein Prüfer. Mehr nicht.«
Schönlieb erkannte schon allein daran, wie ihre Stimme bei den letzten Worten leicht bebte, dass Meininger ganz offensichtlich mehr war als nur ihr Prüfer. Die Frage war nur, was er war. Konnte es sein, dass Anna eine der Studentinnen war, mit denen Meininger eine Affäre hatte?
»Aber du hattest letztens ein Gespräch mit ihm, bevor du in der Toilette verschwunden bist, nicht war?« Schönlieb musste jetzt in die Vollen gehen. »Und du hast geweint.«
»Das geht dich doch überhaupt nichts an, warum ich auf der Toilette heule, oder?« Anna sah mit einem Mal nicht nur wütend, sondern auch ziemlich verletzlich aus. »Ich weiß auch nicht, was das alles mit Huynh zu tun haben soll. Du ermittelst hier doch wegen des Mordes, oder?«
»Ja. Nur noch eine Frage: Wie ist dein Verhältnis mit … äh … zu Meininger eigentlich?«
Anna lachte kurz auf und sah ihn dann wütend an.
»Weißt du was? Du kannst mich mal. Sind wir hier fertig? Kann ich jetzt gehen? Oder drohst du mir sonst wieder mit dem Präsidium?« Sie wurde etwas lauter. Die beiden älteren Studenten schauten zu ihnen rüber.
»Okay, okay«, beschwichtigte Schönlieb schnell. »Ich will eigentlich auch gar nichts mehr wissen.« Vorerst.
»Gut. Tschüss, Scheißbulle.« Anna stürmte aus dem Café, ohne sich noch einmal umzusehen.
Schönlieb blickte ihr irritiert hinterher. Er erinnerte sich, dass Wallner ihm gerne vorwarf, er hätte Probleme, Zeugen zu befragen. Du gibst viel zu oft die Leitung des Gesprächs aus der Hand , behauptete Wallner immer. Als er so alleine dasaß, fragte er sich, ob Wallner in diesem einen Punkt nicht vielleicht sogar recht hatte.
Er zahlte, stand auf und machte sich auf den Weg zu Meininger. Mit einem komischen Gefühl im Bauch – das nicht nur von seinem Kater herrührte.
An Professor Meininger hatte er jetzt ein paar Fragen mehr.
Während der Fahrstuhl in das dritte Geschoss hinauffuhr, dachte Schönlieb noch immer über Anna nach. Er hatte auf jeden Fall einen wunden Punkt erwischt. Hatte sie ein Verhältnis mit Professor Meininger? Warum hatte sie auf dem Damenklo geweint? Wegen der Prüfung oder wegen Meininger?
Als der Fahrstuhl hielt, schob er seine Gedanken beiseite. Jetzt musste er erst mal gute Miene zeigen, damit die Beschwerde des alten Wachmanns unter den Tisch fiel.
Er ging den langen Gang entlang bis zu Meiningers Büro, klopfte an die Tür und wartete. Es rührte sich nichts. Erst als er ein zweites Mal etwas lauter anklopfte, hörte er von drinnen ein dumpfes: »Herein!«
Schönlieb trat ein. Die Sekretärin des Professors saß an ihrem Tisch und schaute Schönlieb misstrauisch an. Die Flügeltür, die die beiden Zimmer verband, war zu.
»Ich wollte zu Professor Meininger«, sagte Schönlieb.
»Wer sind Sie denn?«
»Schönlieb, Kripo Hamburg. Ich war schon einmal hier. Erinnern Sie sich
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