Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
ihn herum erhellte die Umgebung im Takt dazu. Er sah, wie Lieke sich hinhockte und das dunkle Tuch wegzog. Meininger. Schönlieb drehte sich weg. Sie hätten es verhindern können. Sie hätten schneller hier sein können, mit mehr Leuten. Es war auch ihre Schuld, dass er hier lag. Lieke untersuchte Meininger, während Kalle hinter ihr stand und ihr Anweisungen gab. Schönlieb beobachtete sie dabei, doch es war für ihn, als sehe er fern. Das alles war so weit weg, das alles war nicht hier. Nicht real.
»Was soll ich da schon groß sagen?«, hörte er Kalle fragen. »Ist ja alles klar. Die Mordwaffe lag direkt neben ihm. Hier. Das Messer.« Er hielt einen durchsichtigen Plastikbeutel, in dem sich ein Küchenmesser befand, in die Höhe. Ein Chefmesser. Bei Jamie Oliver hatte Schönlieb gelesen, dass es in jeder Küche so ein Messer geben musste. Eines, das besonders scharf ist. Wo kam dieses Messer so plötzlich her? Hatte es die ganze Zeit dort gelegen? Hatte er es einfach übersehen?
»Ich werde das Messer an die Techniker geben«, sagte Wallner eigenartig ruhig. »Vielleicht haben wir Glück, und es war ein Amateur. Fingerabdrücke und so. Dann wird es einfach.«
Plötzlich hatte Schönlieb wieder eine Hand an der Schulter.
»Geht es dir wirklich gut, du siehst schrecklich aus.« Es war Lieke, die zu ihm sprach. Es beruhigte ihn. »Zeig mal deine Hände. Hast du dich irgendwo verletzt?«
»Die Hände, ja, alles in Ordnung«, hörte er sich selbst antworten. War das wirklich er, der antwortete? »Das ist nicht mein Blut. Das ist alles von Meininger.«
Gestern hatten sie zusammengegessen, sich über Bücher unterhalten und Mitch und der verrückten Bianca beim Sex zugehört. Jetzt standen sie hier. Schönlieb war sich nicht sicher, was ihm irrealer vorkam. Das Treffen gestern war so weit weg, als hätte es vor Jahren stattgefunden, wie eine alte Erinnerung, an die man nur noch denkt, wenn man sich alte Fotos ansieht.
Er starrte auf seine blutverschmierten Hände. Ihm wurde schwindelig, und alles begann sich zu drehen. Plötzlich sah er den Himmel. Er war dunkel, und jemand hatte alle Sterne entfernt.
Kapitel 32
Sie mussten ihm etwas gegeben haben, gespritzt wahrscheinlich, schlucken hatte er ja nicht können. Auf jeden Fall fühlte er sich besser. Er wachte in einem Krankenwagen auf. Kurz musste er sich orientieren, dann bemerkte er, dass der Wagen nicht fuhr. Vielleicht standen sie noch am Tatort. Er sprang auf, stieß den Sanitäter weg, riss die Tür auf und stürmte nach draußen. An die frische Luft.
»Der Typ will sich echt nicht helfen lassen«, hörte er den Sanitäter noch resigniert sagen. Es war der Gleiche, der ihn vorhin hatte stützen wollen.
Schönlieb war es peinlich, dass er ohnmächtig geworden war. Er hatte vor Wallner Schwäche gezeigt. Irgendwann würde sich das rächen. Wallner würde das ausnutzen, dessen war er sich sicher. Draußen waren noch ein paar Typen von der Spurensicherung bei der Arbeit, doch alle anderen waren weg, und es würde nicht lange dauern, bis der Aufräumtrupp kam. Der Tote war weg, und alles war gut.
Noch benommen von dem Medikament, das sie ihm gegeben hatten, taumelte Schönlieb in Richtung U-Bahn-Station Landungsbrücken. Er musste ins Büro. Sie konnten ihn doch nicht einfach hier zurücklassen. Er war Teil des Teams. Er war wichtig für den Fall. Das mussten Holding und die anderen doch wissen.
Auf der Treppe zur U-Bahn-Station kamen ihm einige Touristen entgegen. Sie wichen ein paar Schritte zur Seite und schauten ihn erschrocken an. Schönlieb blickte an sich herunter, und er sah, dass er noch immer überall das Blut von Meininger kleben hatte. Schönlieb breitete die Arme aus.
»Willkommen in Hamburg!«, rief er und lachte die Touristen an, die schnell die Treppe hinunterliefen.
Schönlieb beachtete sie nicht weiter und ging über die große Brücke in die Station. Plötzlich stellten sich ihm zwei breitschultrige, in dunklem Blau gekleidete U-Bahn-Aufseher in den Weg.
»So können Sie nicht in die U-Bahn.«
»Wieso nicht?«
Die beiden Stiernacken sahen sich kurz fragend an. Anscheinend hatten sie sich vorher keine Gedanken gemacht, warum sie den blutverschmierten Typen nicht in die U-Bahn lassen wollten.
»Na ja, schauen Sie sich doch mal an«, stammelte der eine von ihnen etwas unsicher und zeigte auf Schönlieb, als wüsste dieser nicht, wie er aussah.
»Seit wann ist es verboten, mit Blut bekleckert zu sein, wenn man in die Bahn steigt?«,
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