Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
der zuckte nur mit den Schultern.
Schönlieb vermutete, dass sich auch Wallner darüber bewusst war, dass sie falsch gehandelt hatten und Professor Meininger vielleicht hätten retten können.
»Wer fährt zu Frau Meininger?«, fragte Holding. »Wäre interessant zu erfahren, ob sie von der Affäre wusste, und wenn ja, wo sie sich heute Abend befunden hat.«
»Sie ist auf jeden Fall nicht vor mir weggelaufen«, sagte Schönlieb erschöpft. »Das heute war ein Mann. So viel konnte ich erkennen. Als Täterin scheidet sie aus.«
»Nicht immer ist der, der ausführt, auch der eigentliche Täter«, sagte Holding und lächelte Schönlieb milde an.
Kapitel 34
Mittlerweile war es 2:47 Uhr. Sie fuhren durch Volksdorf am nordöstlichen Rand der Stadt. Zu beiden Seiten der Straße lagen die Einzelhäuser versteckt hinter Bäumen im Dunkeln. Sie hatten Schwierigkeiten, die Hausnummern zu erkennen, denn eine Straßenbeleuchtung gab es nicht.
»Hier ist die Welt noch in Ordnung«, sagte Birte Coskun wehmütig. »Ein hübsches Haus neben dem anderen.«
Schönlieb überlegte kurz, ob er wusste, wo sie wohnte, doch er kam nicht drauf. Was wusste er überhaupt über sie? Sie hatten nicht oft zusammengearbeitet. Nur jetzt, wo es brannte, wo sie plötzlich einen zweiten Toten hatten, hatte Holding alle Kräfte zusammengezogen. Der Papierkram von Coskun und Samson musste ruhen. Umso erstaunlicher war, dass Holding es allem Anschein nach einfach so akzeptierte, dass Wallner mal wieder nicht aufzufinden war, nachdem er das Büro verlassen hatte. Da stimmte etwas nicht.
»Arda und ich überlegen seit zwei Jahren, ob wir uns auch ein Haus kaufen. Wir haben schon einiges angeguckt, aber die Häuser in Gegenden, die einem gefallen, kannst du nicht bezahlen.«
Arda war der türkische Ehemann von Coskun. Wenigstens das wusste Schönlieb. Er hatte ihn einmal auf einem Polizeisommerfest gesehen.
»Hier ist es, oder?«, fragte Coskun und zeigte auf das einzige Haus in der Straße, das noch beleuchtet war. »Halt mal an.«
Sie hielten an, stiegen aus und gingen den kleinen Sandweg bis zum Haus. Kurz bevor sie die Tür erreichten, ging diese auch schon auf. Eine Frau mit grauen Haaren blickte sie an. Sie trug eine weite rote Baumwolltunika über einer schlabbrigen grünen Stoffhose.
»Mein Mann ist nicht bei Ihnen?«, fragte sie, und man merkte, dass sie sich bewusst war, was dies bedeuten konnte.
Schönlieb schüttelte den Kopf und blickte kurz auf den Boden.
»Frau Meininger, können wir kurz reinkommen?«, fragte Coskun, und sobald sie am großen Holztisch in der Küche der Meiningers Platz genommen hatten, fing sie an zu erzählen, was passiert war.
Die Meiningers wohnten anders, als Schönlieb es sich vorgestellt hatte. Auch Frau Meininger war anders, als er es sich vorgestellt hatte. Weder das Haus noch die Inneneinrichtung noch die Frau passten zu dem Mann, den Schönlieb als Professor Meininger kennengelernt hatte. Seine strahlend weißen, gebleichten Zähne, seine übertriebene Bräune und sein ständiges Verkaufslächeln. Er hatte sich vorgestellt, dass auch der Rest in Meiningers Leben so unecht aussah wie er selbst. Doch hier, im Haus, sah es vielmehr nach Bildungsbürger und Öko aus. Die meisten Möbel waren aus hellem Holz, es gab viele Pflanzen, und in der Luft lag ein spezieller Geruch, der Schönlieb an einen seiner früheren Lehrer erinnerte, bei dem sie sich ab und zu mit dem Biologie Leistungskurs getroffen hatten. Frau Meininger passte hier rein, aber ihr Mann?
Als Coskun zu Ende gesprochen hatte, war Frau Meininger erschrocken gewesen, außer sich, aber sie hatte sich ziemlich schnell wieder im Griff gehabt und saß jetzt gefasst vor ihnen.
»Ob er Feinde hatte? Meine Güte, nein. Ich wüsste nicht, warum ihm jemand etwas Böses wollen könnte«, sagte sie.
»Haben Sie denn in letzter Zeit etwas Ungewöhnliches an ihm bemerkt? Hat er sich anders verhalten?«, fragte Schönlieb. Das Foto, das Professor Meininger beim Oralsex zeigte, hatten sie bisher verschwiegen.
»Etwas Ungewöhnliches?« Frau Meininger überlegte kurz und ließ ihren Blick durch die Küche schweifen. »Nein, auch nicht. Es war alles wie immer.«
Eigentlich konnte Schönlieb sich nicht vorstellen, dass man eine Affäre vor seiner Frau verbergen konnte, etwas muss die doch bemerken. Vielleicht war er einfach nur zu naiv.
»Was heißt wie immer ?«, fragte Coskun. Sie tat das überraschend schroff.
Schönlieb wunderte sich darüber, und
Weitere Kostenlose Bücher