Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
links konnte er noch immer auf das Fischmarktgelände schauen, den Schatten im Blick. Er erreichte das Ende des breiten Weges, und eine kleine Treppe führte hinunter zur Straße. Hier musste er den Schatten für wenige Sekunden aus den Augen lassen. Er sprang die kleine Treppe hinunter und lief weiter nach links, er war jetzt auf einer Ebene mit dem Schatten, dieser müsste die Fischauktionshalle mittlerweile erreicht haben.
Schönlieb kniff die Augen zusammen und suchte die Umgebung nach dem Schatten ab. Da! Gerade noch rechtzeitig bevor er hinter der Halle verschwand, sah er ihn. Schnell lief er in die Richtung, doch plötzlich fand sein rechter Fuß keinen richtigen Halt und rutschte weg. Verdammtes Glatteis! Schönlieb verlor das Gleichgewicht und klatschte auf den harten Boden. Ein greller Schmerz jagte durch sein Handgelenk, als er auf dem vereisten Kopfsteinpflaster aufprallte. Schnell rappelte er sich auf und lief weiter.
Er erreichte die Fischauktionshalle und lief hinter ihr am Wasser entlang. Von dem Schatten war nichts mehr zu sehen. Am Ende der Halle war ein kleiner Platz, und gegenüber befand sich ein kleines Restaurant. Der Schatten könnte weiter am Wasser entlang oder am Gebäude vorbei auf die Straße gelaufen sein. Er konnte ihn nirgends entdecken. Schönlieb fuhr sich verzweifelt durch die schweißnassen Haare. Er durfte ihn nicht verlieren. Die Tränen schossen ihm wieder in die Augen. Aber er lief weiter. Am Wasser entlang. Doch er entdeckte ihn nicht wieder. Vielleicht war er doch auf die Straße gelaufen. Es dauerte, bis sich wieder eine Lücke zwischen den Häusern bot und er ebenfalls auf die Große Elbstraße wechseln konnte. Doch auch hier konnte er niemanden entdecken. Er hatte ihn verloren. Er brauchte eine Weile, bis er es einsah. Er lief einfach weiter, doch es brachte nichts. Schließlich ließ er sich neben einer Bushaltestelle auf eine Treppe fallen. Er rang nach Luft. Seine Beine brannten, und sein ganzer Körper glühte. Er öffnete seine Jacke und sah, wie sein Brustkorb dampfte. Die Tränen vermischten sich mit Schweiß und brannten in den Augen. Er hatte ihn entwischen lassen. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass Meininger überlebt hatte.
Kapitel 31
Schönlieb brauchte fast zwanzig Minuten, bis er zurück bei Wallner war. Seine Hände und Kleidung waren noch immer mit Meiningers Blut beschmiert, seine Beine schmerzten bei jedem Schritt, und sein Handgelenk war angeschwollen und brannte. Die Passanten, an denen er vorbeiging, schauten ihn erschrocken bis ängstlich an, doch niemand fragte ihn, ob er Hilfe oder dergleichen brauchte. Er hatte sich die Tränen weggewischt. Wallner durfte auf keinen Fall sehen, dass er geweint hatte. Oder hatte er es ohnehin mitbekommen? Schon von Weitem sah er die Blaulichter. Er verlangsamte seinen Schritt. Heute hatten sie versagt. Als Wallner ihn in der Ferne entdeckte, zeigte er auf ihn, sagte etwas, und sofort kamen zwei Sanitäter in seine Richtung gelaufen.
»Haben Sie irgendwelche Verletzungen?«, rief der eine ihm zu.
Schönlieb schüttelte den Kopf, die Sanitäter kamen dennoch näher. Wahrscheinlich hatten sie sein Kopfschütteln im Dunkeln nicht gesehen. Als sie bei ihm waren, stützte der größere der beiden ihn, der andere, der so jung aussah, als dürfe er noch kein Bier im Supermarkt kaufen, legte eine Decke um seine Schultern. Schönlieb ließ die Decke von seinen Schultern gleiten und drückte den Sanitäter weg.
»Was ist mit Meininger?«
»Mit wem?«
Doch bevor er dem Sanitäter erklären konnte, wer Professor Meininger war, sah er es auch schon: Über dem Körper von Meininger lag ein großes dunkles Tuch, das ihn komplett verdeckte. Neben ihm standen Wallner, ein Streifenpolizist, zwei Leute von der Spurensicherung, Kalle und Lieke. Lieke. Er starrte sie an. Was machte Lieke hier? Er konnte sich nicht so recht freuen, sie zu sehen, und es fiel ihm schwer zu begreifen, was sie hier machte, obwohl es eigentlich doch ganz klar war.
Schönlieb ging langsam auf die Gruppe zu. Wallner schaute ihn fragend an, doch Schönlieb schüttelte leicht mit dem Kopf. Wallner ging zwei Schritte auf ihn zu und legte die Hand auf seine Schulter.
»Sein Vorsprung war zu groß, du konntest ihn nicht einholen.« Wallner nahm die Hand schnell wieder weg und nickte in die Richtung von Meiningers bedecktem Körper. »Er ist tot.«
Schönlieb war wie betäubt. Der Rhythmus seines Herzschlages wummerte in seinem Kopf. Das blaue Licht um
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