Die Prüfung: Kriminalroman (German Edition)
zu sagen, brach jedoch beide Male ab.
»Ich … äh …«, stammelte sie und guckte Hilfe suchend zu Coskun. Er hätte nicht beide Fragen auf einmal stellen sollen, und vielleicht war seine Taktik, sofort auf den Punkt zu kommen, doch falsch gewesen.
»Okay, ganz ruhig, Marie«, sagte Coskun und schaute Schönlieb etwas vorwurfsvoll an. »Fang mit der ersten Frage an, dem Streit zwischen Alex und Huynh.«
Marie atmete einmal kräftig durch und begann.
»Ich habe mich in dem Moment einfach nicht daran erinnert. Wirklich. Das war ja immerhin schon mehrere Wochen her.«
»Zwei Wochen«, korrigierte Schönlieb sie. »Das ist nicht sehr lang.«
»Aber … die Situation ist nicht gerade einfach für mich. Da sind die Gedanken nun mal nicht … so klar«, sagte Marie und fing plötzlich an zu weinen.
Coskun rutschte mit ihrem Stuhl an sie heran.
»Alles gut, erzähle uns einfach, wie du den Streit erlebt hast«, sagte sie ruhig und legte ihr die Hand auf die Schulter.
Marie bemühte sich weiterzureden, und Schönlieb musste sich konzentrieren, um sie zu verstehen, da sie zwischendurch immer wieder weinte und schniefte.
»Wir waren in der Disko, auf dem Hamburger Berg. Die Jungs waren alle ziemlich betrunken. Huynh war weg. Nur ganz kurz. Eigentlich ist er sonst immer bei mir gewesen. Da ist Alex angekommen und hat mir an den Hintern gefasst und zu mir gesagt, dass er mit mir schlafen will. Ich habe ihm gesagt, er soll weggehen, aber er hat sich nicht abwimmeln lassen und mich weiter angefasst. Der war total betrunken und hatte sich nicht mehr unter Kontrolle, der Idiot. Dann kam Huynh, und er hat ihm gesagt, er soll weggehen. Die Situation ist außer Kontrolle geraten, und die beiden haben sich geprügelt. Huynh und ich sind dann weg. Nach Hause.«
»Was war nach dem Streit? Hast du Alexander da noch einmal wiedergesehen?«
»Nein. Nur von Weitem in der Uni.«
»Hat Huynh etwas erzählt, dass sich die beiden noch einmal unterhalten haben?«
»Nein.«
»Hat er etwas anderes erzählt? In Bezug auf Alexander? Und jetzt denk bitte besser nach als das letzte Mal. Alles könnte wichtig sein«, sagte Schönlieb möglichst ruhig.
»Ihr denkt doch nicht, dass Alex Huynh umgebracht hat, oder?«
»Momentan denken wir gar nichts. Wir ermitteln in alle Richtungen, und dafür brauchen wir möglichst genaue Informationen.« Schönlieb wurde etwas ungeduldiger.
»Mit mir hat er nicht mehr über Alex geredet. Nur, dass so etwas nicht mehr vorkommen wird, hat er mir versprochen. Er hat gesagt, er würde in Zukunft besser auf mich aufpassen …« Sie weinte wieder, diesmal heftiger als zuvor, es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
Schönlieb wollte gerade ansetzen, Marie nach Professor Meininger zu befragen, als sein Handy klingelte. The Imperial March. Er nahm ab.
»Holding hier. Bei wem bist du gerade?«
»Marie.«
»Hör zu, gerade hat einer aus der EDV angerufen, die haben es geschafft zurückzuverfolgen, wo die Bilder der Kamera, die heimlich in Meiningers Büro platziert war, gespeichert wurden. Ich kann hier aber nicht weg, ich muss ja auf Max aufpassen.« So wie Holding den letzten Satz aussprach, hörte man, dass es ihm nicht passte, dass er nicht der Springer war, und er sich fragte, wieso er sich auf die ganze Aktion eingelassen hatte. »Du musst also in die Technik und dir das sofort angucken. Sie sagten, es sei sehr dringend«, fuhr Holding fort.
Er gab Schönlieb einen Namen und eine Beschreibung, in welchem Raum er den Techniker finden würde. Dann legte er auf. Schönlieb schaute zu Coskun.
»Ich muss kurz weg.« Dann wandte er sich an Marie. »Wir sind aber noch nicht fertig. Nutz die Zeit, und denk noch einmal genau darüber nach, ob dir an Huynh in den letzten Wochen etwas Ungewöhnliches aufgefallen ist. Nach dem, was ich bisher über Huynh erfahren habe, standest du ihm am nächsten.«
Anstatt zu antworten, fing sie nur wieder an zu weinen, aber wer wollte es ihr verdenken? Schönlieb stand auf und verließ den Raum. Was hatten die Techniker wohl auf dem Server gefunden, das so wichtig war, dass einer von ihnen direkt vorbeikommen sollte?
Kapitel 40
Schönlieb bemühte sich, so gut er konnte, Klischeedenken zu vermeiden. Das stellte sich nicht immer als einfach da, vor allem wenn man ein Prachtexemplar für die Bestätigung gängiger Klischees vor sich hatte. Ein solches Exemplar war der junge Mann, der sich ihm als Nico Wohlleben vorgestellt hatte. Er trug ein weites
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