Die Psi-Agenten
Stimmengewirr, das am Vorabend wie Gänsegeschnatter in meinen Ohren geklungen hatte, störte mich nicht mehr. Es erschien mir selbst unglaublich, daß die kurze Begegnung mit dem Guru meine ganze subjektive Einstellung zur Welt verändert hatte. Nach dem Frühstück begegnete ich Henrietta Van Eps vor dem Speisesaal. In ihrer Begleitung befand sich das zierliche Mädchen, das mir bereits am Vortag aufgefallen war – Katie Mackinnon.
»Guten Morgen, Mister Ableson! Haben Sie eine gute Nacht verbracht?«
»Danke, ja.«
Sie nickte lächelnd und stellte mich dem Mädchen vor, das mir mit dem Ernst einer Erwachsenen die Hand reichte. Die großen blauen Augen in dem zarten Elfengesicht besaßen eine Leuchtkraft, die mich an den Blick des Gurus erinnerte.
»Ich hoffe, es wird Ihnen bei uns gefallen, Mister Ableson«, sagte sie. Sie hatte den etwas singenden Tonfall der Midlands.
»Ganz bestimmt.«
»Keine Zweifel mehr?« fragte Henrietta Van Eps.
Ich erwiderte ihr Lächeln. »Dazu ist der Morgen viel zu schön.«
Später schlenderte ich gemächlich durch die Parkanlagen. Es war noch eine gute Stunde Zeit bis zu meinem Gespräch mit dem Guru, und ich hatte das Gefühl, daß ich mich seelisch darauf vorbereiten mußte. Der unmittelbare Kontakt mit diesem außergewöhnlichen Mann übt sicher noch eine stärkere Wirkung auf mich aus als der Gemeinschaftsvortrag des vergangenen Abends. Ich sah der Begegnung mit einer gewissen Nervosität entgegen.
Bereits um Viertel vor elf wartete ich an der Tür zu Mrs. Van Eps’ Büro und überlegte, ob ich meine erste Zigarette jetzt oder nach der Unterredung rauchen sollte. Um fünf vor elf öffnete sich die Tür, und mein Tischnachbar vom Vorabend kam heraus. Er begrüßte mich mit einem freundlichen »Guten Morgen«. Mir erschien er um Jahre verjüngt.
»Ah, da sind Sie schon, Mister Ableson!« Henrietta Van Eps war im Eingang aufgetaucht. »Kommen Sie bitte herein!«
Sie führte mich ins Büro und öffnete eine Verbindungstür.
Es war, als hätte ich eine andere Welt betreten. Eine warme, friedvolle Stille hüllte mich ein und durchdrang mein Inneres. Die Beleuchtung wirkte gedämpft, mit eine Stich ins Blaugrüne, der die Vision einer Unterwassergrotte heraufbeschwor. Der Raum war erfüllt vom Duft der vielfarbigen Rosen, die in weißen Blumenkästen die Wände säumten.
Der Guru kauerte mit überkreuzten Beinen auf einem hellen Teppich. Er trug wieder sein schlichtes weißes Gewand. Lächelnd streckte er mir die schmale, dunkle Hand entgegen.
»Setzen Sie sich, Mister Ableson«, sagte er mit seiner weichen flötenden Stimme.
Unter normalen Umständen hätte diese Aufforderung lächerlich geklungen, denn es standen keine Stühle im Zimmer. Aber ich ließ mich, ohne zu zögern, ihm gegenüber auf dem Fußboden nieder.
Lange Zeit betrachtete er mich wortlos. Ich hielt dem ruhigen Blick seiner samtbraunen Augen stand und erwiderte sein Lächeln, als seien wir alte Freunde, die ein wunderbares Geheimnis miteinander teilten.
»Ich sehe, Sie haben bereits einen Anfang gemacht«, sagte er schließlich.
»Einen Anfang?«
»Sie waren bedrückt, aber nun scheinen Sie auf eine Lösung Ihrer Zweifel und Ängste zu hoffen.«
»Das stimmt.«
»Dann ist es gut.«
»Ihre Lehre hat mich beeindruckt. Ich möchte unbedingt mehr darüber erfahren«, sagte ich.
»Das werden Sie, mein Sohn, das werden Sie«, erwiderte er sanft. »Aber so oft verschleiern Worte den Sinn der Dinge, anstatt ihn aufzuhellen. Ich möchte Sie deshalb zu diesem Zeitpunkt nicht mit Erklärungen verwirren, sondern Sie an der Hand nehmen und der Wahrheit entgegenführen. Zuerst gebe ich Ihnen ein Wort – wir nennen es Mantra –, das auf Sie ganz persönlich abgestimmt ist. Wenn Sie sich auf dieses Wort konzentrieren, wird es Ihnen gelingen, Ihr Inneres von jeglichem Alltagsballast freizumachen. Das ist die Voraussetzung für die Kreative Meditation; denn der Geist strebt von sich aus größerem Glück und größerer Zufriedenheit entgegen, sobald Sie sich im Zustand des Reinen Bewußtseins befinden. Das Reine Bewußtsein liegt jenseits der Gedankenwelt; es ist vollkommene Ruhe, totales Gleichgewicht, echter Friede.«
Mein Mantra war ein Wort aus dem Sanskrit. Ich fragte ihn, was es bedeutete, aber er erklärte, daß es besser für mich sei, wenn ich das nicht wüßte. Auf diese Weise sei es unbelastet von jedem semantischen Inhalt, und ich könne mich ganz auf den Laut konzentrieren.
»Schließen Sie nun
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