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Die Pubertistin - eine Herausforderung

Titel: Die Pubertistin - eine Herausforderung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Baumhaus
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Achtzigerjahreoverall meines Schwiegervaters stand ich gefühlte zwei Stunden an einem Idiotenhügel, während der Kindsvater als mein personal trainer mich hinabzulocken versuchte. AmEnde dieses so fruchtlosen wie erniedrigenden Vorgangs brachen wir die Sache ab, und ich durfte den Rest des Urlaubs mit ausgiebigen Lesetagen auf den Skihütten der näheren Umgebung verbringen. Und das war wirklich besser so.
     
    Vor diesem Hintergrund muss man mein nun folgendes Telefonat mit der Oma betrachten. Zuerst möchte die Oma wissen, ob die Pubertistin über Skisocken, Funktionsunter wäsche und einen Skianzug verfügt. Die Antwort (nein, das habt ihr doch letzten Winter alles mit zu euch genommen) kennt sie natürlich. Aber sie möchte halt ganz sicher sein. Schritt zwei unserer kleinen Fragestunde behandelt das Thema Skistiefel.
     
    Jetzt kriegt sie mich. Wegen der Sache mit dem Idiotenhügel erzeugt alles Fachsimpeln in diesem Themenbereich ein weißes Rauschen in meinem Kopf. Nein, ich habe nichts vom Equipment zu Hause, ich wüsste nicht mal, was man wofür verwendet. Auch nicht, was ich damit in der norddeutschen Tiefebene sollte. Aber die Oma, die möchte das eben immer alles noch mal ganz genau wissen. Es könnte ja sein, dass wir, ohne ihr Bescheid gegebenzu haben, im letzten Jahr, nur mal zum Beispiel, ein Geschäft für Skiausrüstungen eröffnet haben ...
     
    Sie meint das nicht böse, wirklich. Sie ist eine tolle Oma, die die Pubertistin sehr lieb hat und deshalb möchte, dass der gemeinsame Skiurlaub zur vollsten Zufriedenheit aller verläuft. Da kann es nicht schaden, mit einer frustrierten Wintersportlerin noch mal die Details durchzugehen. Nach einer halben Stunde haben wir es geschafft. Ich verspreche, den Schrank der Pubertistin gründlich nach Spuren von Funktionsunterwäsche und dergleichen zu durchleuchten, ausreichend Schlüpfer einzupacken und diesmal bestimmt nicht die festen Schuhe zu vergessen.
     
    Die traurige Wahrheit ist, dass die Pubertistin schon seit Jahren ihren Koffer selber packt. Was weiß denn ich, was man in den Bergen braucht? Es gibt schließlich ausreichend Meere, an denen man seinen Urlaub verbringen kann. Am nächsten Morgen bringen wir die kleine Skifahrerin zum Flughafen: Gute Reise, viel Spaß, drück die Oma und den Opa von uns! Und weg ist sie.
     
    Die SMS , die wir in den nächsten Tagen erhalten, klingen gut: Hallo ihr! Sitzen im Wohnwagen, leider kein Skiwetter. Alles ist toll. HEGDL – Hallo ihr! Heute auf 2500 Meter gewesen, super Sicht. Abends gibt’s Kaiserschmarren. – Hallo ihr! Freue mich ganz doll auf euch. Wie geht’s der Katze?
     
    Na, das lässt sich doch hören. Als wir die Pubertistin vom Flughafen abholen, hat sie rote Apfelbäckchen und einen Koffer Dreckwäsche dabei. Wie war’s, fragen wir. Ja super, sagt die Pubertistin. Daheim angekommen, rufen wir die Oma und den Opa an, um Bescheid zu geben, dass ihre Enkeltochter gut angekommen ist. Die Oma ist am Telefon. Was hat sie denn erzählt, fragt sie. – Dass es super war, sagen wir. – Ach tatsächlich, sagt die Oma, ich hatte ja das Gefühl, es hat ihr nicht gefallen. – Wie das?
     
    Es stellt sich heraus, dass die Pubertistin sich von ihrer, sagen wir mal, nicht allerbesten Seite gezeigt hat. Im tiptop winterfesten Wohnwagen der Großeltern sei man sich doch ein bissl auf die Nerven gegangen. Da hätten auch gutes Essen, Sport an frischer Bergluft und abendliche Rommeerundennichts geholfen. Schlapp habe die kleine Wintersportlerin gewirkt, antriebslos und ja, auch ein bissl unhöflich. Die Oma ist traurig darüber, und der Opa auch. Was ist aus ihrer kleinen Hosenscheißerin geworden, der sie einst Schwimmen und Skifahren beigebracht haben, die seeligen Blicks auf ihren Knien gewippt hatte und die man mit Schinkennudeln zu einem komplett glücklichen Kleinwesen päppeln konnte? Dieses Kind, tröste ich die Oma, hat die schwere Krankheit Pubertät. Nicht therapierbar. Man kann nur demütig auf Besserung hoffen. Die Oma tut mir leid. Aber es hilft nichts: Die Großeltern müssen durch die gleichen Fegefeuer gehen wie wir.
     
    Dass ein Mensch, den man innig liebt, sich binnen weniger Monate zu einer Halbfremden entwickeln kann, ist eine traurige Tatsache. Dass derselbe Mensch sich in unvorhersehbaren Augenblicken plötzlich liebevoll und vollkörperlich an einen schmiegt, ist eine Sonderform dieser schweren Erkrankung. Was soll man fühlen? Was braucht dieser Mensch, um zu begreifen, was er

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