Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
an Geister?«, fragte er leise. »Ich mittlerweile schon. Ich glaube dran, ein für alle Mal.«
»Das könnten auch Waschbären gewesen sein«, sagte Alice. Doch sie wirkte immer erschrockener, je länger sie den Blick schweifen ließ. »Ich dachte, es sollte die ganze Zeit einer von uns Wache halten. Hast du das nicht letzte Nacht gesagt?«
»Waschbären? Meinst du das ernst?«
Alice nickte zögernd, als wäre sie nicht ganz so sicher. »Oder Poppy. Sie hat Wache gehalten.«
»Sie ist doch nicht verrückt«, widersprach Zach. »Und um das zu machen, müsste sie total durchgeknallt sein. Ich dachte, du glaubst ihr das mit dem Geist.«
»Hab ich auch. Tue ich immer noch. Ach, keine Ahnung. Es hat Spaß gemacht, mitzuspielen.« Alice stand mühsam auf und ging zitternd ein paar Schritte. »Das ist echt zu viel. Ich glaube das nicht. Kann doch sein, dass Tiere über das Lager hergefallen sind, oder Poppy war sauer auf uns, weil wir umkehren wollten, und hat das getan, damit wir weitermachen. Egal wer, ein Geist war es jedenfalls nicht.«
»Gestern Nacht schien es einfach ein Abenteuer zu sein, nicht wahr?«, sagte Zach, wurde sich aber im selben Atemzug bewusst, dass es genau das auch war, sogar mehr als vermutet, eine ganz andere Art Abenteuer. Er hatte Angst. Gänsehaut hatte sich auf seinen Armen ausgebreitet und er vermutete, dass auch Alice sich fürchtete. Vielleicht mochte sie deshalb plötzlich nicht mehr an Geister glauben.
Zach dagegen wünschte sich, dass sie echt waren, mehr als alles andere.
Wenn dem so wäre, dann bot die Welt vielleicht doch genug Raum für das Undenkbare, dann mochte so etwas wie Magie möglich sein. Und wenn es die gab, selbst wenn es böse Magie war – und Zach wusste, die Wahrscheinlichkeit war groß –, dann endeten vielleicht doch nicht alle Geschichten so wie die seines Vaters. Dann waren andere Geschichten möglich als jene, die alle Erwachsenen in seinem Umkreis erzählten und in denen man am Ende verbittert aufgab. Zu Hause wäre ihm seine Sehnsucht nach Magie peinlich gewesen, doch hier in diesem Wald schien alles möglich. Er sah wieder in die grausamen Glasaugen der Puppe, die so nah war, dass sie sein Gesicht hätte berühren können.
Hauptsache es gab so etwas wie Magie, egal welcher Art.
Er dachte darüber nach, was Poppy gesagt hatte – dass sie diese Mission jetzt antreten müssten, sonst würden sie es nie wagen. Dass wenn sie zögerten, es keinen Weg zurück gab.
Und er dachte an seinen Traum.
»Ich glaube, es war Eleanor«, sagte Zach. »Vielleicht ist ihr Geist wütend, weil wir diese Mission nicht ernst genug nehmen. Vielleicht ist sie sauer, dass wir vor der richtigen Haltestelle ausgestiegen sind. Oder sie hat etwas dagegen, dass du nach Hause willst.«
»Ich bleibe dabei, dass es Waschbären waren«, sagte Alice, nahm ihren Mantel und legte ihn sich wie ein Cape um die Schultern. »Jede Wette, dass Poppy die Geschichte aus einem ihrer ausgeliehenen Bücher hat. Ich mach ihr keinen Vorwurf. Poppy hat echt Sinn für gute Geschichten, aber manchmal übertreibt sie’s, findest du nicht?«
Zach dachte darüber nach, wog Alice’ Worte ab. Sie sagte , es waren Waschbären, aber im Grunde meinte sie Poppy. Poppy, die als Letzte auf gewesen war und sie davon überzeugen wollte, die Mission durchzuziehen. Es war ihr zuzutrauen, dass sie es komisch gefunden hatte, die Königin direkt hinter ihn zu legen, weil sie wusste, wie sehr er sich erschrecken würde. »Aber was ist mit der Asche? Die war echt.«
Alice nickte, aber nicht, um ihm zuzustimmen. »Darüber denke ich die ganze Zeit nach. Sie kann doch einfach Asche aus einem Grill genommen und Hähnchenknochen dazugetan haben. Es war dunkel, als wir uns das angesehen haben. Auf der Bühne wird so was ständig gemacht.«
Zach hatte in der vergangenen Nacht etwas Ähnliches gedacht, sich gefragt, ob es vielleicht ein Trick war, doch irgendwann unterwegs hatte er angefangen, daran zu glauben, und dabei wollte er nun auch bleiben. Am liebsten hätte er Alice von seinem Traum erzählt, ihn als Beweis angeführt, doch das war er nicht. Er hatte nur geträumt, was Poppy ihnen zuvor erzählt hatte, so wie man sich manchmal nachher in einen Film hineinträumt, den man gesehen hat. Zach konnte unmöglich wissen, ob etwas davon stimmte oder ob sein Gehirn ihm einfach einen Streich spielte.
Wie es aussah, hatte Alice ohnehin das Interesse verloren, denn sie zog den Reißverschluss am Vorderfach von Zachs Rucksack
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