Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)
auf und tastete darin herum. »Haben wir noch etwas übrig? Zu essen, meine ich.«
»Nein«, antwortete er. »Ich glaube nicht.«
Als sie die Hand aus seinem Rucksack zog, förderte sie einen Zettel zutage. Sie faltete ihn auf. »Was ist das?«, fragte sie neugierig. »Ein privater Zettel, oho! Wie privat denn?«
Zach wusste haargenau, was sie da in der Hand hielt.
»Gib her«, sagte er und wollte ihr den Zettel entreißen.
Alice stand auf, während sie noch las. Ihr Lächeln erlosch und wurde abgelöst von tiefster Verblüffung. Zach erkannte seine Schrift und die Kritzeleien am Rand. »Das ist Poppys Befragung. Du hast sie beantwortet . Du hast gesagt, du hättest es nicht getan, aber genau das hast du.«
»Kann schon sein. Gibst du sie jetzt zurück?« Zach stand auch auf und starrte sie an. Dann stürzte er sich auf Alice, um ihr den Zettel wegzuschnappen.
Sie tänzelte davon. »Aber warum hast du sie beantwortet, wenn du doch … «
Alice konnte diesen Satz nicht beenden, weil Poppy schreiend hochfuhr. Halb geduckt blinzelte sie in die Sonne, die Arme abwehrend erhoben. Sie sah aus wie eine Kämpferin auf dem Sprung.
»Poppy?«, fragte Zach.
Zu seiner Erleichterung faltete Alice den Zettel doppelt und steckte ihn in die Manteltasche. Dann ging sie zu Poppy, führte sie sanft zum Schlafsack und ließ sich mit ihr nieder. Poppy keuchte immer noch.
»Ich habe geträumt, ich wäre Eleanor. Ich bin gefallen … «, sagte Poppy und schlug die Hände vor die Augen.
Zach sagte lange nichts. War er ein Blödmann, weil er seinen Traum für sich behielt? Würde Alice ihn bescheuert finden, wenn er davon berichtete? Über ihnen raschelte das Laub. »Ich glaube, du solltest dich mal umsehen«, sagte er schließlich. »War sie denn wütend? Es sieht nämlich ganz danach aus, als hätte jemand unser Lager verwüstet.«
Poppy stand auf, klopfte sich den Schmutz ab und ging zur Puppenkönigin. Als sie sie aufhob, klappten die Augen halb auf, was aussah, als würde sie die Kinder beobachten – wie eine Katze, die vorgab zu schlafen.
»Ihr glaubt, ein Geist hätte das getan?«, fragte Poppy schließlich und drehte sich wieder zu ihnen um.
»Ich nicht«, erklärte Alice. »Ich denke, es waren Waschbären. Aber ich dachte mir schon, dass du sagen würdest, es wäre ein Geist gewesen.«
»Ist doch klassisches Poltergeistzeug«, sagte Zach.
»Sie ist kein Poltergeist«, sagte Poppy, als hätte Zach behauptet, ihre brandneue Doctor-Who - DV D -Sammlung bestünde aus Raubkopien. »Und warum sollte sie unser Essen wegwerfen? Oder das Einzige zerstören, worauf wir schlafen können? Sie möchte, dass wir sie nach East Liverpool bringen. Da wird sie es uns doch nicht noch schwerer machen.«
Dennoch meinte Zach einen unsicheren Unterton herauszuhören.
»Gut, meinetwegen«, sagte er. »Heißt das, du glaubst auch, dass es Waschbären waren?«
Als Poppy sich das zerstörte Lager ansah, holte sie tief Luft. »Ich weiß es nicht. Könnte es nicht Tinshoe Jones gewesen sein? Vielleicht ist er uns gefolgt?«
Zach lief ein Schauer übers Rückgrat, der in einen scharfen Schmerz zwischen den Schulterblättern mündete. Er konnte sich bestens vorstellen, wie das gegerbte grinsende Gesicht sie aus der Dunkelheit heraus beobachtete. Doch Tinshoe Jones hatte überhaupt keinen Grund gehabt, auszusteigen und ihnen zu folgen, geschweige denn zu warten, bis sie eingeschlafen waren, und dann ihr Zeug zu verstreuen. Wahrscheinlicher war, dass er glaubte, die Aliens hätten sie erwischt und ihre Gesichter gestohlen.
Eleanor dagegen hatte viele Gründe, um wütend zu sein, auf Alice und weil sie noch immer nicht in ihrem Grab lag.
»Also, ich würde genauso gerne wie ihr wissen, was hier los ist«, sagte Alice und sah von Poppy zu Zach, als wüsste sie nicht genau, auf wessen Seite sie gerade stand – vielleicht auf keiner. »Aber können wir bitte, bitte erst mal hier verschwinden? Dieser Wald ist unheimlich und ich muss mal und Hunger habe ich auch.«
»Wir sind letzte Nacht an einem Donutladen vorbeigekommen«, sagte Zach.
Alice nickte. »Perfekt. Hauptsache, es gibt eine Toilette.«
Da es nicht viel zu packen gab, ließen sie es sein. Der Schlafsack und ihre restlichen Vorräte waren nicht mehr zu gebrauchen und bei jedem Windstoß quoll mehr von dem weißen Futter heraus. Sie konnten nur alles aufsammeln, den nutzlosen Schlafsack zusammenrollen und alles in einen der Abfalleimer am Fluss werfen.
Außer ihnen war niemand dort,
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