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Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)

Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition)

Titel: Die Puppenkönigin – Das Geheimnis eines Sommers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holly Black
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lag. Im nächsten Moment hing dann das Segel wieder so schlaff herunter, dass es ihm kaum gelang, Fahrt aufzunehmen.
    Wenn hin und wieder ein größeres Frachtschiff vorbeifuhr, löste es solche Wellen aus, dass die drei sich gut festhalten mussten, weil das Segelboot wild hin und her schwankte und sie wie ein Stier beim Rodeo abzuwerfen drohte.
    »Glaubt ihr, der Besitzer der Perle hat schon gemerkt, dass das Boot weg ist?«, fragte Poppy, als sie an einer mit trockenen Sträuchern bewachsenen Felseninsel in der Bucht zu ihrer Rechten vorbeisegelten.
    Zach rutschte unbehaglich herum. Wenn er als Säbel-William im Spiel Leute ausgeraubt hatte, war ihm immer eine gute Ausrede eingefallen – meistens, dass er nur die Bösen bestahl. Doch im wahren Leben fühlte sich das anders an. »Wenn wir in East Liverpool anlegen, rufen wir im Hafen an und sagen ihnen, wo die Perle liegt. Die Eigentümer können das Boot dann abholen. Ich denke, sie müssen sich nicht allzu lange Sorgen machen.«
    Alice zeigte auf die Insel und hörte Zach und Poppy gar nicht zu. »Was könnte da nicht alles sein! Ich wette, die Insel hat noch niemand betreten. Stellt euch vor, neben einem dieser Felsen wäre eine Pforte, aber niemand wüsste davon, weil jeder verschwindet, der auch nur in die Nähe kommt.«
    Als sie daran vorbeisegelten, betrachtete Zach die Insel und stellte sich genau das vor.
    An der Bucht hatte sich Industrie angesiedelt. Im Osten lagen Häuser, auf der anderen Seite Pipelines, Tanks und Schleppkähne. Viele Schiffe lagen vor Anker und zwischen ihnen schossen Rennboote hindurch, die das Wasser aufwühlten. Da das Segelboot deswegen ununterbrochen schaukelte, war es nur noch schwer zu steuern. Zachs Muskeln schmerzten, weil er sich ständig mit aller Kraft in eine Richtung lehnen musste. Seine Kleidung war von der Gischt durchweicht.
    Alice blickte auf ihr Handy.
    »Wie spät ist es?«, fragte Zach.
    »Zwanzig vor drei«, antwortete sie. »Wir haben noch genau eine Stunde Zeit, um anzukommen und die Bushaltestelle zu suchen.«
    Poppy warf ihnen einen nervösen Blick zu. Obwohl sie ja die treibende Kraft gewesen war, wirkte sie mittlerweile genauso besorgt wie die beiden anderen.
    »Das dauert länger, als wir dachten«, sagte Poppy schließlich. »Und länger, als die Jungen behauptet haben.«
    Zach hätte am liebsten gesagt, dass es noch länger gedauert hätte, wenn sie gerudert wären, doch er hielt den Mund. Obwohl ihnen die Zeit davonlief, war er recht vergnügt.
    Er und Alice kamen mittlerweile ganz gut mit dem Boot klar. Wenn sich das Segel im Wind straffte, wurden sie schneller und rauschten durchs Wasser wie ein Fahrrad, das bergab fuhr.
    Zach lehnte sich zurück und betrachtete die Küste. Die Wälder wichen nun zurück und gaben den Blick auf eine Stadt frei. Dann folgten wieder ein Waldstück und vereinzelte Gebäude dicht genug am Fluss, dass Zach sie erkennen konnte. Andernorts hätte man am Flussufer herrschaftliche Anwesen mit eigenen Bootsstegen und weitläufigen Rasenflächen angelegt, doch hier schien es nichts Besonderes, am Wasser zu wohnen.
    Dann segelten sie an älteren Fabriken vorbei, deren bröckelnde Schornsteine hoch in den Himmel ragten. Die dahinterliegende Stadt war eine größere Ausgabe ihrer eigenen – ein paar hübsche viktorianische Bauten mit verschalten Fenstern und ein heruntergekommener Platz. Direkt vor ihnen lag eine Eisenbrücke, unter der sie gleich hindurchsegeln würden. Zach hört das Rattern der Autos auf der Fahrbahn. Weiter vorne machte der Fluss eine Biegung nach links.
    »Moment«, sagte Poppy und zeigte auf die Stadt, an der sie gerade vorbeigefahren waren. »Wir müssen wenden. Das ist East Liverpool. Das ist die alte Porzellanfabrik, seht ihr das nicht?«
    Zach erhob sich kurz, so überrascht war er. »Wenden? Ist dir klar, dass die Strömung so verläuft, wie wir gesegelt sind? Und der Wind – wenn wir wenden, haben wir Gegenwind.«
    »Aber wir müssen wieder zurück.« Poppy riss die Augen auf. »Wir sind vorbeigefahren.«
    Als Zach Alice ansah, erkannte er nackte Angst in ihrem Blick. Sie hatte genauso wenig Ahnung, wie sie dieses Boot wenden sollten, wie er.
    »Okay«, sagte er. »Dann müsst ihr den Baum herumschwenken und ich drücke die Pinne.«
    Alice nickte.
    Zach steuerte in Richtung Sandbank, wo sie genug Platz hatten, sich einmal um sich selbst zu drehen. »Wenn der Baum auf die andere Seite saust, müssen wir uns ganz scnell umsetzen«, ermahnte er Poppy.

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