Die Puppenspieler
gut und zu tief sahen, blieben grübelnd auf Richard gerichtet, während Mario sagte: »Das ist der zweite Grund, warum Giovanni sofort zurückwill. Savonarola hat auf die Nachricht von Ferrantes Tod seine alte Prophezeiung erneuert. Er gemahnt, daß nicht nur Florenz, sondern ganz Italien durch einen Strom von Feuer und Blut gereinigt werden wird, und als den rächenden Engel, der diesen Feuerstrom bringen wird, nannte er den König von Frankreich. Daraufhin hat Piero ihn nach Bologna verbannt, und …«
»Savonarola ist nicht gegangen«, vollendete Richard.
Selbstverständlich beschränkte er sich nicht auf den engen, verhältnismäßig sicheren Bezirk der Handelshöfe. Dort war er nicht nützlicher als ein besserer Schreiber, und er hatte auch nicht die Absicht, sich von Fabio Orsini seine mühsam erworbenen römischen Geschäftsbeziehungen ruinieren zu lassen. Im übrigen waren die Orsini im Moment selbst zu sehr in Bedrängnis, um sich mit einem unwichtigen Kaufmann zu beschäftigen. Bei einem der geschwätzigeren päpstlichen Hofmeister mit einer Vorliebe für teures Geschmeide erfuhr Richard die neuesten Gerüchte.
»Gestern haben Kardinal Orsini, Virginio Orsini und einige der Jungen doch tatsächlich um eine Audienz ersucht. Ersucht, man beachte! Gewöhnlich kommen sie nur in den Vatikan, um Forderungen zu stellen.«
Der Hofmeister stammte wie sein Herr aus Aragon, war daher oft genug von dem römischen Adel herablassend behandelt worden und hegte keine übergroßen Sympathien für die Grafen Orsini, Colonna oder auch für die anderen einflußreichen Familien des Apennin. Folglich genoß er es sichtlich, ein wenig Klatsch über sie zu verbreiten.
»Der alte Virginio machte nach der Audienz ein Gesicht wie ein Feinschmecker, dem jemand einen alten Hering verkauft hat. Überhaupt laufen derzeit viele Leute mit unzufriedenem Gesicht in Rom herum, wie zum Beispiel unser verehrter Giovanni Sforza. Seid Ihr dem Grafen Pesaro schon einmal begegnet, junger Freund? Nein? Also, als Giovanni Sforza war er vielleicht eine erstrebenswerte Partie für Madonna Lucrezia, aber seit der Heirat hat sich einiges geändert, könnte man sagen. Einiges.«
»Es ist meine feste Überzeugung«, schrieb Richard in dieser Nacht an Jakob, »daß der Papst die Ansprüche von Ferrantes Sohn Alfonso bestätigen wird und daß einer der Gefallen, die ihm Alfonso dafür erweist, darin besteht, Virginio Orsini das Kommando über das neapolitanische Heer und den Orsini insgesamt seine Unterstützung zu entziehen, was diese ohne militärischen Rückhalt läßt und dazu zwingen dürfte, sich vorerst den Borgia zu beugen.
Ob Charles von Frankreich tatsächlich Krieg führen wird, um Neapel zu bekommen, dürftet Ihr besser wissen als ich, aber die Beziehungen zwischen den Sforza und dem Papst verschlechtern sich zusehends. Kardinal Ascanio Sforza ist aus dem Palazzo ausgezogen, den ihm der Papst nach seiner Wahl überlassen hat, und der Graf von Pesaro, Giovanni Sforza, wird dem Klatsch zufolge von seiner angeheirateten Familie mehr und mehr als überflüssig betrachtet.«
Es dauerte nicht lange, und seine Vermutung erwies sich als richtig. Als der Sommer mit seiner drückenden Hitze in Rom Einzug hielt, wies Alexander den Anspruch des französischen Königs, begründet auf seine Verwandtschaft mit Charles von Anjou, der vor fast zweihundert Jahren das Königreich Neapel als päpstliches Lehen empfing, als längst überholt zurück.
Richard fragte sich, wie sich wohl König Max zu der ganzen Entwicklung stellen würde. Einerseits haßte Maximilian Charles von Frankreich wie die Pest, andererseits war er mit einer Sforza verheiratet und hatte gewisse Bündnisverpflichtungen Mailand gegenüber. Es war genau die Art von verwickelter Situation, bei der der König fluchend den Rat seines wichtigsten Geldgebers in Augsburg einholen würde. Und was läge im Interesse des Unternehmens? Ganz bestimmt keine Konfrontation mit dem Papst. Es sei denn, der König von Frankreich würde Sieger auf ganzer Linie.
39
V IRGINIO O RSINI WAR KEIN hitzköpfiger junger Mann mehr, doch die Flut von Flüchen, die aus seinem Mund drang, ließ selbst seine Neffen vor Neid erblassen. »Von allen Dreckskerlen, die sich je die Tiara erkauft haben, ist dieser katalanische Hundesohn …«
»Ja, Tio Virginio, wir wissen es inzwischen«, sagte Fabio ein wenig spöttisch und handelte sich dafür einen tadelnden Blick seines Vaters Paolo ein. Dennoch ergriff Paolo, der
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