Die Puppenspieler
unauffälligste und jüngste der Orsini-Brüder, die Gelegenheit beim Schopf, um Virginios kurze Atempause für eine Frage zu nutzen.
»Was genau wollte er denn, Virginio?«
»Was glaubst du wohl?« entgegnete der ehemalige Gonfaloniere erbittert. »Er hat mir kurzerhand mitgeteilt, daß jetzt, da ich nicht mehr für die neapolitanischen Truppen zuständig bin, er mir auch nicht länger die Last der beiden Cibo-Festungen zumuten möchte. Ich kann von Glück sagen, daß er mir wenigstens eine gelassen hat, und für die verlangt er noch einmal die doppelte Summe wie damals als Lehenszahlung!«
»Vielleicht könnte Piero uns wieder etwas vorstrecken, und Fabio ist in der letzten Zeit doch auch zu Geld gekommen«, warf einer der jüngeren Orsini schüchtern ein. Virginio machte eine wegwerfende Handbewegung.
»Oh, vergiß diesen Narren Piero. Der kann von Glück sagen, wenn seine Florentiner weiterhin Steuern zahlen. Und Fabio«, er schaute streng in die Richtung des Erwähnten, »hat hohe Schulden. Das meiste ist längst wieder ausgegeben und verspielt, wie immer. Ich sage euch, ich bin nicht gewillt, mich weiterhin von diesem ausländischen Hurenbock so behandeln zu lassen. Die Ehre der Orsinis verlangt, daß wir jetzt zurückschlagen.«
Mit einem Mal wurde es sehr still im Raum. Man hätte beinahe die einzelnen Atemzüge unterscheiden können. »Du meinst – Vendetta?« fragte Piero Orsini schließlich, und Virginio nickte grimmig.
»Und zwar keine Bediensteten mehr. Wir müssen einen Schritt weitergehen. Am liebsten würde ich gleich einem seiner Bastarde die Kehle durchschneiden, aber erstens gebietet es die Ehre, daß wir ihm vorher eine Warnung zukommen lassen, eine weniger wichtige Person nehmen, damit er die Möglichkeit hat, sich die Sache noch einmal zu überlegen, und zweitens – um ganz offen zu sein, wir können jetzt, ohne die Neapolitaner, keine Auseinandersetzungen dieser Größenordnung wagen. Wir werden wieder an Truppen kommen, vertraut mir, ich sorge dafür.«
»Warum nicht bis dahin warten?« schlug Paolo vor.
Virginios Gesicht rötete sich, und er spie jedes einzelne Wort aus.
»Weil – er – mich – beleidigt – hat und weil ich mich nicht länger demütigen lassen werde von diesem …«
»Schon gut«, sagte Paolo hastig. Dann ergriff zu seinem Erstaunen sein Sohn Fabio das Wort. Vielleicht hatte er den Hinweis seines Vetters doch nicht überhört. Fabio zeigte sonst kein rechtes Gespür oder Interesse für Angelegenheiten der Ehre, soweit es nicht ihn selbst betraf, deswegen war Paolo angenehm überrascht, seinen Sohn jetzt sehr ernst sagen zu hören:
»Tio Virginio hat recht. Wir müssen zurückschlagen. Und ich weiß auch schon das geeignete Mittel, in der geeigneten Größenordnung.«
Fabio machte eine kleine Pause, um sicher zu sein, daß ihm die Aufmerksamkeit aller Anwesenden gewiß war. »Eine Borgia-Hure«, schloß er schließlich mit einem winzigen Lächeln.
»Unmöglich«, erklärte Virginio enttäuscht. »Das hast du schon einmal versucht, wenn ich auch nicht weiß, weswegen. Fiammetta ist zu gut bewacht. Was Giulia angeht, diese Metze hätte es zwar doppelt und dreifach verdient, dafür, daß sie einen Orsini betrügt, aber da könnten wir gleich den Borgia selbst erledigen. Sie ist ja ständig bei ihm.«
Das sardonische Lächeln wich nicht von Fabios Lippen. »An Giulia oder Fiammetta hatte ich auch nicht gedacht, lieber Onkel. Ich hatte jemand anderen im Sinn. Habt Ihr vergessen, daß der Bastard dieses Bastards genau dieselbe Moral wie sein Vater hat?«
»Ja, aber«, begann einer seiner Vettern, und Fabio hob die Hand.
»Laßt mich ausreden. Natürlich wird es auf den alten Schuft nicht dieselbe Wirkung haben, wenn man die Geliebte seines Sohnes umbringt – auf gewöhnliche Weise umbringt, sagen wir, mit einem Dolch in den Rücken. Aber mir schwebt eine ganz andere Methode vor. Ein öffentliches, demütigendes Vorgehen, Onkel Virginio, um Eure öffentliche Demütigung zu rächen.«
Er erläuterte nun in aller Ausführlichkeit seinen Plan. Als er geendet hatte, musterte ihn sein Onkel mit wachsendem Respekt und meinte nachdenklich: »Alle Achtung, Fabio. Wirklich, du erstaunst mich. Verrat mir nur noch eines – wie bist du ausgerechnet auf dieses Mädchen gekommen?«
»Sagen wir«, antwortete Fabio Orsini, »ich habe noch ein zweites Motiv.«
Der Krieg hatte die Menschen, wie Richard feststellte, verändert. Wo die Absichten dieses oder jenes Königs
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