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Die Puppenspieler

Die Puppenspieler

Titel: Die Puppenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
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großtat. »Na, Kleiner, du suchst wohl deine Amme?« rief er, und sein Freund Heinz fügte hinzu: »Seht nur, wie ihm die Milch noch von den Lippen tropft!«
    Das war zuviel. Mit zusammengebissenen Zähnen erwiderte er: »Ich werde euch zeigen, daß ich kein Kind bin!«
    Die beiden brachen in Gelächter aus. »Wie willst du das wohl machen, Kleiner?«
    Ehe er sich eines Besseres besinnen konnte, entgegnete er wütend: »Ich tue es mit der Barbara, und zwar gleich!«
    Es war gesagt, und in jedem Fall war es zu spät, um noch einen Rückzug zu machen. Seine Herausforderung rief zwar einen neuen Heiterkeitsausbruch bei Norbert und Heinz hervor, doch als sie sich beruhigt hatten, hielten sie es für einen großartigen Einfall und einen riesigen Spaß. Es hätte der Autorität ihres Arbeitgebers bedurft, um ihnen jetzt noch Einhalt zu gebieten. Sie stöberten Barbara auf und drängten die Magd mit Richard zusammen in eine kleine Stube, die eigentlich der Aufbewahrung von Hausgeräten diente.
    Dort stand Richard der verlegen kichernden Magd gegenüber, sah ihre wogenden Brüste, roch den Schweiß und die schmutzigen Kleider und wurde abwechselnd von Ekel und diesem unbekannten Etwas geschüttelt, das ihn in seinen Träumen immer öfters heimsuchte. Als sie ihren Rock hob, mußte er wie gebannt auf ihre Beine starren, die rund und fest waren, ohne Runzeln und gestählt von der täglichen Arbeit. Er legte zögernd die Hände auf ihre Schenkel und fühlte das warme Fleisch erzittern. Das Blut brauste in seinen Ohren, und er hörte kaum die anfeuernden Rufe der beiden Schreiber.
    Doch als Barbaras rauhe, wissende Hände seine Hose berührten und aufschnürten, endete der Zauber, der ihn gefangengehalten hatte. Es war nicht mehr Barbara, die ihn gegen sich gepreßt hielt, es war seine Mutter, es war ihr weiches Fleisch, das bald verbrannt werden würde, und vor Abscheu und Entsetzen brach er zusammen und übergab sich auf der Stelle, vor ihrer aller Augen.
    Der Spott der beiden jungen Männer, Barbaras hohe Stimme, die ihn anschrie, all das schlug auf ihn ein, doch er konnte nicht aufhören, und erst als sich sein Magen vollkommen entleert hatte, brachte er genügend Kraft auf, um wie von den Furien gejagt davonzurennen. Er rannte fast den ganzen Weg bis zu seinem Hügel zurück, bis ihn die völlige Erschöpfung dazu trieb, innezuhalten. Richard fiel auf die Knie, vergrub seine Finger in der weichen Sommererde und spürte wieder, wie er anfing zu würgen. Selbsthaß, Scham und der Wunsch zu sterben ließen ihn am ganzen Leibe zittern. Er war kein Mensch. Er war ein Ungeheuer, das es nicht verdiente zu leben. Sein Leben war mit dem Scheiterhaufen zu Asche verbrannt, und es gab keinen Weg, wie er der Vergangenheit entkommen konnte.
    In dem dämmrigen Licht, das in dieser Sommernacht in ihrem Schlafgemach herrschte, drehte Sybille Fugger sich um, schmiegte ihre Wange auf das feingewebte Laken und beobachtete das reglose Profil ihres Gemahls. Seltsam, dachte sie, wie jemand tagsüber so ungeheuer selbstsicher wirken konnte und nachts, im Schlaf, so – jung war wohl das richtige Wort, und verletzbar. Dieses Gesicht von Jakob kannte niemand sonst, es gehörte ihr, und sie berührte ihn zart mit ihrer Hand.
    Als sie ihn kennengelernt hatte, war er ihr als der fesselndste, ungewöhnlichste Mann erschienen, der ihr je vorgestellt worden war. Er war so ganz anders als die Kaufleute und Gelehrten, die sie kannte. Dennoch wußte sie, daß er ihr ihrer Familie und nicht zuletzt der Demütigung wegen, die die Fugger erst kürzlich erlitten hatten, den Hof machte.
    Verärgert über den Eifer, mit dem ihre ehrgeizige Mutter die Verbindung mit dem reichen Fugger betrieb – im Gegensatz zu ihrem Vater, der Bedenken wegen Jakobs Herkunft hegte –, hatte sie ihm das eines Tages an den Kopf geworfen. Statt es abzuleugnen oder zornig zu werden, hatte er gelacht.
    »Einem so klugen Mädchen zu widersprechen, würde ich nicht wagen«, hatte er gesagt, und wenn es einen bestimmten Moment gegeben hatte, in dem sie sich in ihn verliebt hatte, dann war es dieser gewesen. Zu ihrer beider Überraschung hatte sie sich erhoben und ihn auf den Mund geküßt.
    Sie fing an, kleine Eigenarten an ihm zu bemerken, Gesten, Ausdrücke, den Klang seiner Stimme, langweilte sich ohne ihn, wo sie vorher nie dieses Gefühl gekannt hatte, und als sie mit ihm die Ringe getauscht und mit klarer Stimme ihr » Volo « – »Ich will« – gesagt hatte, war sie fest

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