Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
wäre Ihr Freund«, erwiderte Susan und bereute es sofort.
Obwohl Michael zwanzig Schritte von ihr entfernt stand, bohrte sein Blick sich in ihre Augen; dann wandte er ihr den Rücken zu. Die Angst, die Michael um Busch hatte, war überwältigend. Er versuchte, sie zu unterdrücken und aus seinem Kopf zu verdrängen, weil es ihn fertigmachte, darüber nachzudenken, dass sein bester Freund unwissentlich in eine tödliche Gefahr lief, ohne dass er, Michael, die Möglichkeit hatte, ihn zu warnen. Michael war sich nicht sicher, ob Fetisow eigene Ziele verfolgte oder ob er auf Anweisung Ziveras handelte. Doch was immer auch der Fall sein mochte: Hier unten war Michael seinem Freund nicht von Nutzen, und der einzige Weg, ihm zu helfen, bestand darin, die Aufgabe zu erfüllen, die anstand und sich irgendetwas einfallen zu lassen, um wieder an die Erdoberfläche zu kommen.
»Was wir hier vor uns sehen, ist zig Milliarden Dollar wert«, meinte Susan und versuchte auf diese Weise, das Thema zu wechseln. Sie nahm ein goldenes Zepter in die Hand, dessen Krone mit Diamanten besetzt war, und sah es sich ganz genau an. Sie legte es wieder hin und griff nach einem Goldhelm, dessen Rand mit Tierfell besetzt war, das vom Alter brüchig geworden war. »Warum hat Iwan das hier alles versiegelt und es nicht seinen Kindern hinterlassen?«
»Seinen Lieblingssohn Iwan hat er bei einem Wutanfall umgebracht, und seine anderen Kinder hasste er. Er hielt keines von ihnen für würdig, seine Nachfolge anzutreten.«
»Was für eine Verschwendung! Ist Ihnen bewusst, was Russland alles mit diesen Schätzen hier machen könnte?«
»Iwan wird einen guten Grund gehabt haben, das alles zu verstecken.«
Michael blieb vor einem Berg Juwelen stehen, der um die dreißig Zentimeter hoch war und aus Halsketten, Armbändern und Ohrringen bestand. Zuoberst lag ein Rubinhalsband, das Michael in die Hand nahm. Es war eines der größten Schmuckstücke. Michael schätzte, dass dieser Halsschmuck mindestens fünfundsiebzig Millionen Dollar einbringen konnte. Er dachte an Busch und daran, wie er täglich losrannte, um im Lotto zu gewinnen, an seine Sehnsucht, seine Familie besser versorgen zu können und genug Geld zu besitzen, um das Leben jeden Tag in vollen Zügen genießen zu können. Busch hatte immer zu Michael gehalten, hatte mehr als einmal im wahrsten Sinne des Wortes den Hals für ihn riskiert – und das Einzige, was Michael ihm im Gegenzug hatte bieten können, waren ein paar Worte des Dankes gewesen. Es war eine mehr als passende Entlohnung, zumal er bedenken musste, dass er seinen besten Freund auch jetzt wieder in Gefahr gebracht hatte. Michael warf noch einen Blick auf die Halskette und war sich dabei bewusst, was das letzte Mal passiert war, als er etwas hatte mitgehen lassen, was er nach Plan nicht hätte mitgehen lassen sollen: Es hatte ihm drei Jahre Gefängnis eingebracht.
Halte dich strikt an deinen Plan, sagte er sich. Zugleich wusste er, dass das Halsband in seiner Hand besser war als jeder Lottoschein. Michael kannte einen Hehler, an den er das Schmuckstück verhökern konnte und der alles so arrangieren würde, dass Busch an das Geld herankam, ohne auch nur einen Cent Steuern zu zahlen.
Michael steckte die Halskette in seinen Rucksack und ging weiter.
Schließlich gelangte er in die hintere Ecke des Saales, wo auf mehreren Regalen elf kunstvolle Schatullen standen. Michael starrte darauf, als Susan neben ihn trat und die verdächtigen Staubränder einer fehlenden Schatulle sah.
»O Gott«, flüsterte sie.
Michael warf ihr einen flüchtigen Blick zu, bevor er sich wieder den elf verbliebenen Schatullen zuwandte. Sie hatten alle die gleiche Größe, waren etwa fünfundzwanzig Zentimeter breit, zwanzig Zentimeter hoch und fünfzehn Zentimeter tief, hatten also in etwa die Größe von zwei aufeinandergestapelten Büchern. Jede war kunstvoll verziert und doch einzigartig in ihrer Art, aus Gold, mit aufwendigen Filigranarbeiten, die Landschaftsmotive zeigten.
Michael begutachtete jede einzelne Schatulle aus der Nähe. Die Handwerkskunst war sehr ausgefeilt und detailliert, war aber nicht russischen Ursprungs, aber ebenso wenig griechischen oder italienischen. Diese Handwerkskunst war älter als jede Geschichte. Sie stammte aus einer Zeit, lange bevor auch nur der Gedanke an die Reiche existierte, in denen Menschen lebten. Diese Schatullen waren an einem Tag geschaffen worden, als man nur um ein einziges wahres Reich gewusst hatte:
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