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Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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dieser Dämpfe aus Kaliumnitrat, Zucker und Desfluran. Das beißende hellbraune Gas füllte rasch den Zuschauerraum und strömte noch oben, bevor es in sich zusammenfiel. Körper verschwanden in dem Nebel; Hände, die scheinbar zu keinem Körper gehörten, trommelten vergeblich gegen das Fenster. Dann wurden die Bewegungen langsamer, denn das Gas zeigte seine Wirkung, und Körper taumelten aus dem Rauch und prallten gegen die Glasscheibe, glitten daran zu Boden und verschwanden aus der Sicht. Keiner der Männer wusste, dass sie diese Welt nicht verlassen würden, wie sie befürchteten, sondern bloß für kurze Zeit das Bewusstsein verloren.
    Busch verspürte Schuldgefühle, als er das Chaos beobachtete, wobei er hoffte, dass das, was er hier tat, kein größerer Gewaltakt war als das Unrecht, das sie zu verhindern versuchten. Er drehte sich um und sah Skowokow regungslos in der Mitte des Operationssaals stehen, umringt von seinen Krankenschwestern und Assistenten. Fetisow hatte die Männer zusammengetrieben und fuchtelte mit seiner Waffe herum, was die gewünschte Wirkung erzielte, und so drehte er sich immer wieder von links nach rechts und hielt die Männer in Schach. Ihr Jammern und ihre kläglichen Hilfeschreie erinnerten Busch an weinerliche Kinder, die sich verlaufen hatten und nach ihren Müttern riefen. Da sie aber in Russisch jammerten, stieß es bei Busch auf sprachunkundige und deshalb taube Ohren.
    Und die ganze Zeit lag Genevieve wie aufgebahrt da, das Kreuz um den Hals, unter einem weißen Laken, das über ihren Körper drapiert war. Nur sie verströmte einen Hauch von Frieden in diesem Operationssaal, ein seltsamer Kontrast zu dem Chaos, das sich um sie her abspielte. Jetzt, da Genevieve an die Geräte angeschlossen war, konnte Busch sehen, dass ihre Vitalwerte gleichmäßig waren; sie hatte als Einzige im Raum einen ruhigen Puls.
    Die Schreie im Zuschauerraum waren verstummt. Abgesehen von einem gelegentlichen Stöhnen war es totenstill. Man konnte die Furcht förmlich riechen – Ärzte, die nicht an Gewalt gewöhnt waren, hatte man mitten ins Herz aller Gewalt gestoßen, so plötzlich und unerwartet, dass ihre finstersten Albträume Wirklichkeit geworden waren.
    Busch blickte Skowokow an, den Chefarzt, den Mann, der alles fest im Griff gehabt hatte und der nun von einem Augenblick zum anderen von seinem Sockel gestürzt worden war. Was für eine Ironie des Schicksals, dachte Busch: Der Mann, der Genevieve hatte entführen lassen, der nur noch Sekunden gebraucht hätte, um ihr ohne jegliche Gewissensbisse bei lebendigem Leib ins Fleisch zu schneiden, starrte jetzt in die Fratze des Todes, den er mit aller Macht zu besiegen trachtete. Allerdings schauten Skowokows Augen in alldem Chaos nicht einen Moment lang auf Fetisow oder Busch. Sein Blick war vielmehr die ganze Zeit auf das große Fenster gerichtet, das den Operationssaal von dem rauchvernebelten Zuschauerraum trennte, als käme von dort Rettung.
    Die Stille machte Busch nervös. Er wusste nicht warum, aber er spürte, dass eine Vorahnung im Raum schwebte – die Ahnung, dass gleich etwas passieren würde. Er schaute zu Fetisow hinüber, aber dem fiel es gar nicht auf; er schien nichts zu bemerken, als er den Ärzten und Schwestern bedeutete, sich ganz hinten im Raum mit dem Rücken gegen die Wand zu stellen.
    Und was dann geschah, lief so ab, als hätte Skowokow es geplant.
    Der Rauch im Zuschauerraum löste sich auf und sammelte sich zu Schwaden, die den Raum hinter der Glasscheibe wie eine unheimliche Illusion aussehen ließen, wie ein Aquarium. Aber es regte sich nichts. Busch war sicher, dass das Gas ganze Arbeit geleistet hatte und sämtliche Zuschauer bewusstlos am Boden lagen.
    Die Rauchschwaden wurden immer dünner. Ranken aus Dunst schwebten in der Luft. Und dann begannen sie plötzlich umherzuwirbeln, wurden aufgewühlt von Bewegung. Aus dem Dunst trat ein Gespenst heraus und stand da, ohne sich zu rühren. Es war eins neunzig groß, und seine Schultern waren so breit, dass sein Arztkittel aus den Nähten zu platzen drohte. Seine Augen lagen hinter einer gespenstischen Maske mit abgedunkelten Gläsern verborgen; Mund und Nase wurden von einem kleinen Beatmungsgerät bedeckt.
    Alle starrten ihn an, die Ärzte, die Schwestern und Fetisow, dem vor Verwirrung die Gesichtszüge entgleisten. Doch es war Skowokow, der Buschs Blut zu Eis gefrieren ließ, denn er sah Regungen im Gesicht des Russen, die auf eine Katastrophe hindeuteten:

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