Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
gelesen, und beide Male hatte er versucht, mit Marys Worten fertig zu werden.
Michael war so glücklich gewesen mit Mary, dass er Angst gehabt hatte, eines Tages aufzuwachen und feststellen zu müssen, dass alles nur ein Traum gewesen war. Mary hatte sein Leben auf eine Art und Weise vervollständigt, wie nur Liebe es vermag. Auch sie hatte ihn geliebt, trotz all seiner Fehler und Schwächen. Sie hatte an ihn geglaubt und auf ihn vertraut.
Michaels Glaube, seine Liebe, seine Lebensbejahung und seine Hoffnung waren mit Mary gestorben.
Doch als er den Brief noch einmal las, loderten alle diese Emotionen wieder in ihm auf. Er las die letzten Zeilen:
Gehe der Sache nach, Michael. Suche nach deinen Eltern. Das ist meine letzte Bitte an dich. Ich will nicht, dass du allein bist auf der Welt. Erst die Familie macht uns zu vollständigen Menschen. Sie kann die Leere in unserem Inneren füllen und die Hoffnung wiederherstellen, wenn wir glauben, sie für immer verloren zu haben.
Das Telefon klingelte und riss Michael aus seinen Gedanken. Er ging durch die Küche und nahm den Hörer ab.
»Michael St. Pierre?«, fragte eine Frauenstimme.
»Ja.«
»Hier ist das Byram Hills Police Department. Ich stelle Sie durch zu Captain Delia.«
Michael hörte das Klicken, als der Anruf weitergeleitet wurde. Sein Herz begann schneller zu schlagen, während die Zeit plötzlich langsamer zu vergehen schien. Die Polizei rief ihn bestimmt nicht an, um mal wieder ein bisschen zu plaudern.
»Hallo, Michael«, meldete sich Delia, »wir müssen uns treffen.«
Fünf Minuten zuvor hatte Paul Busch die Bar gewischt und die Flaschen und frisch gespülten Gläser eingeräumt. Die Kasse war voller als je zuvor. Seit er denken konnte, hatte er von dieser Bar geträumt. Seine Frau Jeannie hatte ihn sehr unterstützt, nachdem Busch die Bar gekauft hatte; sie wusste, dass es ihn aus der Schusslinie bringen würde, da es seine vorzeitige Pensionierung beschleunigte. Das Einkommen war viel höher als das Gehalt, das er von der Polizei bezogen hatte, und dass er kostenlos essen und trinken konnte, kam ihm auch nicht gerade ungelegen – obwohl er den Nervenkitzel der Verfolgungsjagden vermisste und den Rausch, der damit einherging.
Er leerte gerade die Kasse, als das Telefon läutete. »Verdammt, es ist nach Mitternacht!« Paul nahm den Hörer ab und erwog, die Schnur aus der Wand zu reißen. »Was ist?«
»Hallo, Paul. Hier Bob Delia. Tut mir leid, dass ich Sie so spät noch störe.«
Busch schluckte seine Wut hinunter. »Schon in Ordnung.«
»Es sieht so aus, als wäre auf der Kensico Bridge ein Wagen durch das Geländer gerast.«
»Du lieber Himmel! Wann?«
»Es gab zwar keine Zeugen, aber wir nehmen an, dass es vor mindestens einer Stunde passiert ist.« Der Captain hielt inne, als wollte er eine Schweigeminute einlegen für das oder die Opfer, die auf so grauenvolle Weise den Tod gefunden hatten. »Die Bennett-Brüder sind diese Woche oben in Maine, und wir haben sonst niemanden, der so tief tauchen kann.« Er ließ die nicht gestellte Frage im Raum stehen. »Und wenn wir bis zum Morgen warten, wird die Presse hier sein, und Gott allein weiß, wie geifernd und respektlos die sich über die Sache hermachen werden. Ich will nicht, dass man in den Morgennachrichten zeigt, wie die Leichen aus dem Wasser gezogen werden.«
Busch kannte Captain Delia inzwischen seit zwanzig Jahren. Sie waren nie befreundet gewesen, hatten aber Respekt voreinander, der zurückreichte bis zu den Tagen, als sie beide Streifenpolizisten gewesen waren und der eine dem anderen den Rücken gedeckt hatte.
Als Busch noch bei der Polizei gewesen war, hatte er das Taucher-Einsatzkommando geleitet und das Polizeiboot gesteuert, wenn es benötigt wurde. Das gefiel ihm wesentlich besser als die Bewährungshelfertätigkeit, die er normalerweise verrichtete. Nur wurde das Polizeiboot kaum einmal gebraucht; Paul konnte an einer Hand abzählen, wie oft das Boot angefordert worden war.
»Ich bin in fünf Minuten da. Sie müssen mir aber einen Gefallen tun.«
»Und welchen?«
»Rufen Sie Michael an und sagen Sie ihm, er soll sich seine Ausrüstung schnappen und sich mit mir treffen.«
Delia sagte nichts. Die Zeit schien plötzlich stillzustehen. Busch hatte mit dieser Reaktion gerechnet, so wie jedes Mal. Michael war einer der schweren Jungs gewesen, die er als Bewährungshelfer betreut hatte, und in der Folge waren sie die besten Freunde geworden.
»Captain, Sie wissen, dass
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