Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)

Titel: Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
Vom Netzwerk:
zu.
    Michael wandte sich wieder an Stephen. »Kannst du laufen?«
    »Ich könnte fliegen, wenn ich müsste.«
    »Wo ist was?«, fragte Susan. »Wovon redet er?«
    Stephen beantwortete ihr die Frage, während die fünf sich eilig auf den Weg zu Julians Villa machten.
    »Die echte Schatulle, der Baum des Lebens, ist in der Villa.«

67.
    J ulian starrte auf seinen Computermonitor, auf das Bild vom medizinischen Labor. Bevor er nur noch weißen Schnee sah, hatte es einen grellen orangefarbenen Blitz gegeben. Augenblicke später dröhnte das grollende Donnern der Explosion von unten zur Villa hinauf. Zwei, drei Sekunden saß Julian wie versteinert da, dann schoss er vom Stuhl hoch, und seine Wut loderte auf, denn er begriff mit einem Mal, dass man ihn hereingelegt hatte.
    Er griff nach dem Telefon, um in der medizinischen Einrichtung anzurufen, doch niemand nahm den Hörer ab. Julian erkannte, dass da auch etwas nicht stimmte. Alles ging schief. Er hatte sich für klug und gerissen gehalten, weil er Michael in eine Falle gelockt hatte, aber der Dieb hatte ihn zum Narren gehalten und verhinderte nun, dass er, Julian, sein großes Ziel erreichte.
    Wütend starrte Julian auf das Porträt seiner Mutter. Er versuchte, die Fassung zurückzuerlangen und seine Gedanken und Gefühle zu ordnen. Michael hatte die echte Schatulle unter den Mauern des Kremls gestohlen, daran bestand kein Zweifel. Martin hatte es bestätigt. Aber Michael hatte ein Hütchenspiel begonnen und die Schatulle hin- und hergeschoben, damit am Ende keiner mehr wusste, wo sie wirklich versteckt war. Wahrscheinlich befand die Schatulle sich an einem Ort, der viel offensichtlicher war, als alle glaubten.
    Michael war gewiefter, als Julian gedacht hatte. Während er Susan und Martin mit falschen Schatullen in die Irre geführt hatte, befand die echte sich wahrscheinlich immer noch in seinem Besitz, und da er nichts und niemandem zu trauen schien, nicht einmal der Sicherheit eines Flugzeugsafes, hatte er das kostbare Stück wahrscheinlich die ganze Zeit mit sich herumgetragen.
    Julian zwang sich, logisch zu denken. Er fragte sich, was er getan hätte, wäre er in Michaels Lage gewesen. Er versuchte sich vorzustellen, wie die Schatulle aussah, welche Gestalt sie hatte, und wo man so etwas am besten verstecken konnte.
    Es dauerte nur einen Moment, dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Ohne noch eine Sekunde länger nachzudenken, rannte Julian aus der Bibliothek und die Treppe hinauf in den dritten Stock. Er eilte den Gang zum Konferenzraum hinunter, stürzte hinein, starrte auf den Tisch, begann zu grinsen und brach schließlich in schallendes Gelächter aus. Er lachte darüber, wie pfiffig das Ganze war. Darüber, dass der Verstand dazu neigte, Dinge übermäßig zu komplizieren und nach Lösungen zu suchen, die wesentlich komplexer waren als nötig.
    Julian nahm Michaels Erste-Hilfe-Kästchen in die Hand und drehte und wendete es. Voller Ehrfurcht verließ er dann mit dem Kästchen das Zimmer, kehrte in seine Bibliothek zurück und stellte es auf seinen Schreibtisch. Gedankenverloren setzte er sich, hob den Deckel ab und starrte auf die Gaze, den Mull und die anderen Gegenstände. »Schweinehund«, flüsterte er, als er die Watte und die Pflaster aus der kleinen Vertiefung nahm, bis er auf den falschen Boden schauen konnte.
    Er zog einen Brieföffner aus der Schreibtischschublade, brach den falschen Plastikdeckel auf und blickte auf die goldene Schatulle. Obwohl sie mit orangefarbener Farbe besprüht war, konnte er sie deutlich erkennen. Es gab keinen Zweifel, dass dies hier der Albero della Vita war: Der Baum des Lebens war in den Deckel graviert.
    Julian lehnte sich im Schreibtischstuhl zurück, griff nach dem Telefon und wählte sich in die Sprechanlage jeder Telefonleitung auf dem Gelände ein. »Ich brauche sofort jeden Mann hier oben. Ich will, dass jeder, der ausfindig gemacht werden kann, von den Köchen bis zu den Ärzten, innerhalb des Hauses in Verteidigungsstellung geht. Jede Tür und jedes Fenster muss bewacht werden.«
    Gedankenverloren legte Julian den Telefonhörer auf und starrte auf die Schatulle. Sein Atem ging schneller, als ihm bewusst wurde, dass er kurz davor stand, sich selbst das Leben zu retten. Die Schatulle, die vor ihm stand, barg die Antwort auf sämtliche Fragen nach dem Leben; er konnte es spüren. Dies hier war die Schatulle aus dem Gemälde, das gegenüber von seinem Bett gehangen hatte. Diese Schatulle war ein Mythos, eine

Weitere Kostenlose Bücher