Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Das Gemälde, das Sie mir gestohlen haben.«
Michaels Gedanken gerieten ins Strudeln, und mit einem Mal passten alle Puzzleteile zusammen. Der Mann, der vor ihm saß, war Julian Zivera, Genevieves Sohn – der Mann, vor dem Genevieve sich so sehr fürchtete. Den sie den gefährlichsten Menschen genannt hatte, den es gab. Michaels Verwirrung verwandelte sich in Wut.
»Sie haben mein Gemälde gestohlen, Michael«, fuhr Julian fort. »Sie haben sich in die Schweiz hineingeschmuggelt und ein Bild gestohlen, nach dem ich sieben Jahre gesucht hatte.«
Michael blickte auf die geschlossene Tür der Bibliothek.
»Sie überlegen sich, wohin Sie fliehen könnten, nicht wahr? Aber bevor Sie flüchten«, Julian lächelte, »würde ich vorschlagen, dass Sie sich den Aktenordner dort einmal anschauen.«
Michael blickte auf die Manila-Akte, die auf dem Tischchen lag, und nahm sie langsam an sich.
»Ich habe Sie in der Hand, Michael.« Julians falsches Lächeln erlosch.
Michael schlug den Ordner auf und hatte im nächsten Moment das Gefühl, seine Welt fiele aus den Angeln. Die Akte war voller Presseberichte über den mysteriösen Einbruch in ein Bürogebäude in der Schweiz. Im Anhang befanden sich grobkörnige Nachtaufnahmen, die ihn dabei zeigten, wie er in Genf über die schneebedeckte Brücke rannte.
»Es war nicht sehr schwierig, die Teile zusammenzufügen. Sie«, Julian zeigte mit dem Finger auf Michael, »waren der Lieblingsdieb meiner Mutter.«
Michael sah Julian an. Seine Gefühle schwankten zwischen Furcht und Zorn.
»Ich weiß, dass meine Mutter Sie gebeten hatte, mein Gemälde zu stehlen. Und ich weiß, dass Sie das wirklich Kostbare haben – das, was unter dem Bild versteckt war.«
Michael sagte nichts, da er es zerstört hatte – zerschnitten und in Säure aufgelöst. Es war für immer verloren.
»Ich hatte jahrelang danach gesucht. Als ich fast schon mit den Händen danach greifen konnte … egal, jetzt habe ich etwas Besseres. Jetzt habe ich meinen eigenen Dieb.« Julian lächelte wieder. »Sie werden mir etwas beschaffen. Sie und ich werden ein Geschäft miteinander machen, Michael.«
Michael hasste es, Befehle entgegenzunehmen und herumkommandiert zu werden, und Erpressung hasste er erst recht.
»Ein Handel, bei dem es um eine Schatulle geht, die Sie für mich finden müssen. Ich bin bereit, Ihnen im Gegenzug auch etwas zu geben. Viele würden sagen, dass es ein fairer Tausch ist. Als Gegenleistung werde ich nicht nur davon absehen, diese Akte über Sie an Interpol weiterzuleiten, Sie werden darüber hinaus noch etwas von mir bekommen, das sehr kostbar ist. Etwas Unersetzliches. Etwas, wonach Sie gesucht haben, wonach Sie sich gesehnt haben.«
»Ich werde nicht …«
»Doch, Sie werden«, fiel Julian ihm ins Wort, und seine leise Stimme klang mit jeder Silbe zorniger. Sein Gesicht färbte sich rot, und die Adern an seinem Hals traten hervor. Er rieb sich die Schläfe, als könnte er seine Wut dadurch irgendwie vertreiben. »Wie ich schon sagte«, fuhr er dann fort. »Sie werden mir diese einzigartige antike Schatulle bringen, die Albero della Vita heißt. Sie ist ein Kunstwerk aus Gold, wird seit Jahrhunderten versteckt gehalten und gilt als verschollen an einem Ort, an den vorzudringen sich die meisten Menschen fürchten würden. Aber für jemanden mit Ihrem Sachverstand wäre es die größte Herausforderung überhaupt.«
»Mein Ego braucht keine weiteren Herausforderungen«, erwiderte Michael und versuchte, das Zittern in seiner Stimme unter Kontrolle zu bringen und seinen Zorn im Zaum zu halten. »Ich lasse mich von niemandem erpressen. Deshalb schlage ich vor, dass Sie sich jemand anderen suchen. Jemanden, der gierig ist.«
»Ich glaube nicht, dass es außer Ihnen jemanden gibt, der dieser Aufgabe gewachsen wäre oder mit der Belohnung etwas anfangen könnte, die ich zu bieten habe.« Julian sprach auf einmal langsamer. »Die Bezahlung, die auf Sie wartet, ist nur für Sie von Wert.«
»Und wie sieht diese Bezahlung aus?«
»Ich werde Ihnen für diese kleine Schatulle Stephen Kelley zurückgeben. Ihren Vater.«
Michael erkannte plötzlich, dass der Mann, der vor ihm saß, unter seinem kultivierten Aussehen und seinem Charme absolut skrupellos war. Er war im gleichen Maße kalt und gefährlich, wie Genevieve eine gute Seele war.
»Ich bin dem Mann heute zum ersten Mal begegnet«, sagte Michael. »Und ob er nun mein Vater ist oder nicht – ich beuge mich niemals Leuten, die meine Gefühle
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