Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
Sowjetunion war der Kreml das triste Zentrum der Stadt. Jetzt ist er wieder so prachtvoll wie früher, obwohl an keinem der Gebäude etwas verändert wurde. Es ist erstaunlich, dass die Augen, mit denen wir sehen, von unseren Herzen und der Politik manipuliert werden können.«
Michael bat Susan, stehen zu bleiben, um ein Foto von ihr zu knipsen, wobei er sicherstellte, dass er die Mauer aufs Bild bekam, die Tore, die Wachmänner und alles, was sonst noch so innerhalb der Mauern in Bewegung war.
Zehn Minuten gingen sie schweigend an kunstvoll verzierten Bauwerken vorüber, die ihnen das Gefühl vermittelten, im Mittelalter zu sein. Während Susan fasziniert war, machte Michael sich zunehmend Sorgen. Zahllose Wachen patrouillierten auf dem Gelände und hinter den zahnförmigen Spitzen auf der Galerie der Kremlmauer; sie waren in ständiger Alarmbereitschaft. Hier wurde jeder beobachtet.
Fetisow blieb stehen und streckte die Arme aus. Vor ihnen tat sich ein wahrhaft gewaltiges Gebäude auf, ein Palast im wahrsten Sinne des Wortes. Ein reich verziertes Bauwerk mit wundervollen Bogengängen, Schmuckleisten und durchgängiger Filigranarbeit. Hunderte von Fenstern zierten die Fassade aus Gold und Weiß. »Das hier ist russische Architektur. Der Große Kremlpalast. Es hat elf Jahre gedauert, ihn für die Zarenfamilie von Nikolaus dem Ersten zu erbauen. Die Hauptfassade des Palasts blickt über die Moskwa. Sie ist hundertfünfundzwanzig Meter breit und vierundvierzig Meter hoch. Das Gebäude verfügt über etwa siebenhundert Räume in den verschiedensten Stilrichtungen, vom Barock über den Klassizismus bis hin zur Russischen Renaissance. Als es noch keinen Strom gab, brauchte man jeden Abend zwanzigtausend Kerzen und fünftausend Petroleumlampen, um das Gebäude zu beleuchten. Heute«, er wandte sich angewidert ab, »werden hier nur noch Zeremonien abgehalten. Die Hallen und Gemächer werden für offizielle Treffen und Empfänge genutzt, um den Westlern in den Hintern zu kriechen.«
Fetisow schlurfte weiter. Michael und Susan gingen einen Schritt hinter ihm, und Lexie bildete das Schlusslicht. Fetisow erreichte eine Tür, die in ein weiteres gewaltiges Gebäude führte. Ohne ein Wort zu sagen, öffnete er sie und bedeutete den anderen, sie sollten eintreten.
Schweigend gingen sie durch eine große Halle, vorüber an reich verzierten Räumen, in denen die Kostbarkeiten russischer Geschichte ausgestellt waren. Zarenthrone und Kronen, Roben und herrliche Kutschen, Artefakte einer faszinierenden, wenn auch kontroversen Vergangenheit, zusammengestellt zu einer erlesenen Sammlung russischer Schätze.
»Das ist unser bedeutendstes Museum, das jedem Vergleich standhalten kann, sowohl mit dem Louvre als auch mit den Vatikanischen Museen oder mit dem Smithsonian, und trotzdem werden Sie nicht wissen, wie es heißt.«
Michael und Susan sagten nichts, schüttelten nur leicht die Köpfe.
»Die meisten Leute aus dem Westen haben noch nie von der Rüstkammer gehört. Hier befinden sich eine beeindruckende Sammlung von russischer Kunst aus der Zarenzeit, über fünfzig Fabergé-Eier, die Ballkleider von Katharina der Großen …«
»Ballkleider?«, hakte Michael nach und verlor neuerlich die Geduld. »Und wie sollten mir Ballkleider den Einblick verschaffen, den ich mir verschaffen muss?«
»Es dauert nicht lange, und es wird Ihnen gefallen.« Fetisow klang wie ein Vater, der darauf brannte, seinem Kind das Geburtstagsgeschenk zu geben. Forschen Schrittes ging er den anderen voraus durch den Korridor der Rüstkammer, der kein Ende zu nehmen schien. »Entspannen Sie sich und spielen Sie mal für einen Moment den Touristen. Ich glaube, das hier wird Ihnen gefallen.«
Sie erreichten eine Tür, vor der zur Rechten wie zur Linken je ein Wachmann stand. Beide Männer traten zur Seite, als Fetisow sich auswies. »Der Diamantenfonds. Möchten Sie etwas stehlen? Dann sind Sie hier genau richtig.« Vor ihnen tat sich eine einzigartige Sammlung von Edelsteinen auf: Rubine, Saphire, Diamanten. Es waren Hunderte. Einige in Kronen, Halsketten, Armbändern, andere als Einzelstücke.
»Dies ist jener Teil unserer Geschichte, der Sie wahrscheinlich am meisten interessiert.« Fetisow blieb vor einem großen Schaukasten stehen. »Die russischen Kronjuwelen und das Zepter von Katharina der Großen. Gehe ich recht in der Annahme, dass einem Mann mit Ihren Talenten bei diesem Anblick das Wasser im Mund zusammenläuft?«
Michael und Susan standen
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