Die Quelle der Seelen: Thriller (German Edition)
genehmigen, und sich im Fernsehen Wiederholungen von ›I Love Lucy‹ in Russisch anschauen.«
Weder Michael noch Susan hätten sagen können, ob Fetisow das ernst meinte.
»Aber jetzt haben wir genug Zeit verschwendet.« Fetisow öffnete die Tür und gestikulierte in Susans Richtung. »Ich hoffe, Sie werden sich unserer kleinen Expedition anschließen.«
Susan erhob sich langsam von der Couch und folgte Michael durch die Tür auf einen Innenhof. Vor ihnen erhob sich ein gewaltiges Gebäude, das von achthundert Kanonen umgeben war. Ein zwei Stockwerke hoher Bogengang wurde bewacht von zwei Furcht erregend aussehenden Wachmännern, die in blauen Militäruniformen steckten und ihre Gewehre fest gegen die Brust klemmten.
Fetisow führte seine Gruppe davon, doch Michael bestaunte immer noch das eindrucksvolle Bauwerk und die nicht minder imposanten Wachmänner. »Was für ein Gebäude ist das?«
»Das Arsenal. Wir sehen es uns als Letztes an«, antwortete Fetisow und lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ein modernes Gebäude. Es war aus Flachglas und zahlreichen dreieckigen Pfeilern aus weißem Marmor und hob sich deutlich von den anderen Bauwerken innerhalb des Kremls ab. »Der staatliche Kremlpalast wurde Anfang der Sechzigerjahre erbaut, damit der stolze Apparat des Kommunismus sich in Szene setzen konnte. Zum ersten Mal konnte jeder die bombastische Redegewalt von Nikita Chruschtschow hören, und der großartige Sowjetkongress konnte sich versammeln und sich auf die Brust trommeln. Heute ist es ein nettes Örtchen, an dem Sie sich mit sechstausend ihrer engsten Freunde ein Ballett ansehen oder Rockkonzerte anhören können. Ich glaube, Sie werden es interessant finden, was Sie durch einige der Fenster sehen können.« Michael und Susan erblickten eine Reihe von Fahrstühlen, die vom Erdgeschoss nach unten fuhren. »Die Hälfte des Gebäudes befindet sich unter der Erde. Wir Russen machen Dinge gern unter der Erde, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Fetisow zwinkerte mit seinem guten Auge.
»Wie viele Ausgänge zum Kreml hat das Gebäude?«, fragte Michael.
Fetisow lächelte. »Zu viele, als dass man sie zählen könnte. Es gibt nur zwei öffentliche Ausgänge.«
»Von denen müssen Sie mir einen Lageplan anfertigen.«
»Abgemacht«, erwiderte Fetisow ohne jedes Zögern.
Michael beobachtete, wie der Russe über den Platz humpelte. Er fragte sich, wer dieser Mann eigentlich war. Konnte er tatsächlich beschaffen, was Michael brauchte? War er wirklich da, um zu helfen?
»Die heutige Kremlanlage basiert auf dem Konzept des italienischen Architekten und Baumeisters Aristotile Fioravanti, der von Italien hergebracht wurde auf Bitte des Großfürsten von Russland, Iwan dem Dritten, und seiner Ehefrau Sofia Palaiologa. Man rief ihn wegen seiner großen Erfahrung und seines Fachwissens. Er hat Schlösser in Mailand, Festungen in Ungarn und Tunnelanlagen in Rom entworfen. Die Kremlmauern wurden auf Befehl von Iwan dem Großen errichtet und von drei italienischen Meistern konstruiert – von Anton und Mark Fryazin sowie Pietro Antonio Solario. Die heutige Mauer ist weit über zwei Kilometer lang, an manchen Stellen neunzehn Meter hoch und sechseinhalb Meter dick, und verfügt über neunzehn verschiedene Türme. Auf der gesamten Länge der Mauer dient die auf der Oberseite verlaufende Galerie mit ihrer Breite von zwei bis viereinhalb Metern als Standfläche für den Gefechtsfall. Die Mauer hat mehr als eintausend Zinnen, und die mehrstöckigen Türme sind miteinander verbunden und stellen einen zusätzlichen Schutzwall für die Stadt dar. Darüber hinaus sind sie so positioniert, dass man etwaige Plünderungsversuche von vornherein abwehren kann. Die drei Ecktürme sind rund, damit die Wachsoldaten in jede Richtung schießen können. Und wo strategisch wichtige Straßen auf den Kreml zuführten, wurden doppelt stabile Türme errichtet, durch die Kutschen hindurchpassten. In der modernen Welt gibt es keinen anderen Regierungssitz, der sich im Herzen einer von Mauern geschützten Stadt befindet – mit Ausnahme des Vatikans, aber das ist, als würde man einen Pappkarton mit einem Panzer aus Stahl vergleichen. Niemand wagt, in diese Mauern einzudringen.« Fetisow verstummte und blickte Michael an, ehe er fortfuhr:
»Sollte jemand so dumm gewesen sein und es versucht haben, ist er in den Schatten im Inneren des Kremls verschwunden, als hätte er niemals existiert.« Fetisow grinste. »Gruselig, nicht wahr? In den Zeiten der
Weitere Kostenlose Bücher