Die Quelle
Ich möchte dir versichern,
dass ihr auf uns zählen könnt, falls ihr Hilfe in diesem euch
bevorstehenden Jahr benötigt. Euer Gast hat euch verraten, doch dadurch
unser aller Traditionen geehrt. Ich bin mir sicher, dass alle, die heute hier
anwesend waren, ähnlich denken und es auch so ihren Clananführern
berichten werden.“
Sihldan legte eine Faust auf seine Brust als Zeichen des
Danks und des Respekts vor Sulidian, denn er hatte beobachet, dass Sulidians
Krieger diese Gowirialische Art zu salutieren, nach wie vor anwandten. Er
beließ es bei dieser stummen Antwort, ehe er sich niedergeschlagen in das
Zelt zurückzog, aus dem er am liebsten nicht mehr herausgekommen
wäre.
Sulidians Angebot war hoch einzuschätzen, denn nur
selten unterstützen sich die Clans gegenseitig. Sihldan hätte sicher
auch Ähnliches gesagt und auch Leathans Aktion als ehrenvoll angesehen,
wäre er nicht sein Gast gewesen, hätte nicht sein Clan für diese
Tat zahlen müssen. Doch das Schicksal hatte ihn nun hart getroffen und
sein Groll gegenüber Leathan brannte sich tief in seine Seele hinein. Wie
konnte er jetzt seine Kinder vor Hunger oder Krieg schützen? Wie konnte er
jemals Isentien davon überzeugen, die Hilfe der anderen Clans anzunehmen?
Vor allem würde ihm gerade Sulidians Hilfe ein Gräuel sein, hatten
sie sich doch jahrlang im Krieg bekämpft! All diese Fragen quälten
ihn, als in der Arena das Publikum plötzlich tobte. Hassparolen gegen die
Hexer von Ker-Deijas wurden lauthals geschrien, offensichtlich hatte sich die
Neuigkeit schnell verbreitet. Wie Sihldan es erwartet hatte, betrat ein
Priester Anthalions Isentiens Zelt. Seine Stimme war verachtend, jedes einzelne
Wort klang, als würde er es ausspucken.
„Kommt in die Arena, stellt euch dem Urteil Anthalions.“
Sihldan gehorchte umgehend. Es hatte keinen Sinn,
länger den Augenblick seiner Schmach hinauszuzögern. Als er auf sein
Pferd stieg, nahm er wieder Haltung an und wies seine Männer an, es ihm
gleich zu tun. Sie hatten jahrelang in diesem Turnier gesiegt, sie hatten allen
Grund dazu, stolz auf sich zu sein. Unter Buhrufen und Beschimpfungen ritten
sie mit erhobenem Haupt in die Arena, bis unter die Tribüne des
Herrschers.
Kapitel 22
Krial und Ethira warteten im Kerker von Kegalsiks Tempel
darauf, dass Balsik sie als freier Mann abholte. Sie saßen eng
umschlungen auf dem dreckigen Stroh und hofften, Leathan habe zu Recht sein
Vertrauen in Balsik gelegt. Ethira brach als erste die sorgenvolle Stille.
„Leathan ist nicht nur Telepath, er ist auch ein Hexer.
Er kann die Gedanken von Nicht-Telepathen lesen, daher sollten wir seinem
Urteil über Balsik vertrauen.“
Krial seufzte tief und antwortete erst Minuten
später. „Wenn du Balsik vertraust, warum hast du dann Angst?“
„Ich habe nie Angst!“, antworte sie schroff, zutiefst
beleidigt.
„Gut, keine Angst, aber du bist genauso misstrauisch wie
ich.“, lenkte Krial ein, „Deine Gedanken verraten genug. So lange Leathan da
war, konnte man sich auf Balsik verlassen, aber was ist jetzt? Manche Menschen
ändern ihre Überzeugungen von einer Minute zur anderen. Wenn jemand
auf die Idee kommen sollte, Balsik ein gutes Geschäft vorzuschlagen, sind
wir geliefert. Dieser Mensch würde für Geld alles tun.“
Ethira nickte, obwohl sie wusste, dass es im Dunkeln kaum
zu sehen war. Sie versuchte einen Scherz zu machen, um auch ihre eigene
Stimmung zu lockern.
„Würden wir das nicht auch? Nicht für Geld,
aber für Nahrung für unser Volk sind wir ebenso käuflich.“
„Natürlich sind wir das!“, bestätigte Krial
voller Überzeugung, „Nur mit dem Unterschied, dass, wenn wir unser Wort
geben, es nicht nur auf Zeit gilt. Was ist diesem kleinen Diener wichtiger?
Sein Wort oder Geld?“
Wieder seufzte Ethira. Ihr Plan war der Beste, den sie
seit langem gehabt hatten und falls nicht noch alles schief lief, würde
ihre Gefangenschaft in Anthalia das Beste sein, was ihnen je zugestoßen
war. Sie versuchte zu ignorieren, dass Balsik nun schon viel zu lange weg war,
indem sie sich ihren Tagträumen hingab.
*
Es war nur so ein Gefühl gewesen, doch wenn es um
Geld ging, hatte seine Nase ihn nur selten betrogen. Sklaven durften keine
Wetten abgeben, doch nun, da er ein freier Mann war, gab es keinen Grund, nicht
sein gesamtes Vermögen darunter auch den Smaragd, den er von Leathan
erhalten hatte, für einen sicheren Gewinn einzusetzen. Er hatte sich zwar
seine Freiheit erkauft, doch frei und reich
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