Die Quelle
Anthalion nicht
anwesend war… Und die Göttin war gekommen, und ihre Botschaft war klarer
gewesen, als Lilldaye es je für möglich gehalten hatte. Sie hatte den
Geist ihrer Göttin in sich gespürt. Sie war noch immer
überwältigt davon, obwohl sie wusste, dass von nun an ihre Tage
gezählt waren. Nur Anthalion hatte das Recht seine Schwester auf diese
Weise zu rufen. Lilldaye wusste, sie hatte sich des Verrats schuldig gemacht.
Noch bereute sie diesen Schritt nicht, doch sie kannte ihren Herrscher gut
genug, um zu wissen, dass dies bald schon der Fall sein würde. Sie hatte
keine Zeit zu verlieren, wenn sie ihre Göttin nicht enttäuschen
wollte.
Vor den Toren der Tempelanlage wartete die kleine Truppe,
die zu ihrem Schutz hergeordert worden war. Balderias Tempel hatte keine
eigenen Wachen. Die Armee übernahm den Schutz der Priester und bewachte
die Anlage. Es kam ohnehin nur selten zu Zwischenfällen, die Priester und
vor allem die Priesterinnen Balderias hatten kaum Feinde. Es galt an den Toren
hauptsächlich verwirrte Verehrer vorsichtig zurückzuweisen. Die
Krieger verneigten sich respektvoll vor ihr.
Lilldaye konnte unter ihnen den jungen Krieger namens
Terian ausmachen. Sie lächelte ihm zu und winkte ihn zu sich heran. Einen
Augenblick lang verspürte sie Neid, denn sie wusste, er hatte eine ganze
Nacht lang Balderia begleitet. Er hatte sie begleitet, doch sie hatte die Gedanken
der Göttin in sich gespürt, tröstete es Lilldaye zu wissen. So
strahlend war Terians Lächeln, als er sie erblickte, dass das düstere
Gefühl des Neids verflog und sie sich einfach nur darüber freute, ihn
an ihrer Seite zu haben.
„Terian, es freut mich zu sehen, dass du heute wieder zu
meiner Sicherheit abkommandiert wurdest.“
„Lilldaye, es ist mir eine Ehre. Wohin möchtest du?“
„Erst zum Tempel von Iridien, ich muss seinen Priestern
meinen Dank zollen.“
Sie gingen entlang der dunklen Gassen in Richtung Tempel,
dabei plauderten sie weiter. Wie Lilldaye beruhigt bemerkte, achtete Terian
jedoch darauf, sich nicht von Lilldayes Schönheit ablenken zu lassen. Er
beobachtete wachsam die dunkleren Ecken am Wegesrand, wo Gefahren lauern
konnten.
„Dann ist es euch also gelungen den Tempel im
Bettlerviertel zu errichten?“, fragte er, wohl nur um keine Stille entstehen zu
lassen, war er doch stets über die Angelegenheiten des Tempels Balderias
bestens informiert.
Seit er die Nähe der Göttin genossen hatte,
vertrauten ihm die Priester und suchten oft seine Nähe und sogar seinen
Rat. Lilldaye lächelte zufrieden, im Gedanken an ihren Erfolg, den
morastigen Boden des Platzes im Bettlerviertel doch noch trocken gelegt zu
haben.
„Noch nicht ganz, aber die Fundamente stehen und sind
trocken, die Außenmauern wurden bereits hochgezogen… Wir kommen gut
voran.“
„Etwas verstehe ich nicht. Ich habe gehört, dass
Iridien noch nicht gewillt war, seine Priester mit Macht zu belohnen. Wie kommt
es dann, dass eure Gebete zu ihm erhört werden?“
Lilldaye lächelte und versuchte nicht zu stolz zu
wirken, als sie antwortete.
„Balderia kann möglicherweise auch bei ihrem Bruder
sehr überzeugend sein… Ich hoffe nur, dass der Neid von Iridiens Priestern
uns nicht gefährlich werden kann.“
„Es gibt kaum einen Priester, der sich von dir nicht
zähmen lassen würde.“, schmeichelte er ihr.
Lilldaye lächelte Terian dankbar zu. Sie brauchte
nun Zuversicht und er hatte sie ihr geschenkt. Die Tempelanlage Iridiens war
bereits in Sichtweite, Terian und die anderen Armeemitglieder würden vor
den Toren warten müssen.
„Ich wünschte, du würdest dich dafür
entscheiden, die Armee zu verlassen, um einer von uns zu werden.“
Verlegen senkte Terian den Kopf. „Nichts wäre mir
lieber, als eine Möglichkeit zu finden, öfters in deiner Nähe zu
sein, und doch weiß ich, dass mein Pfad der eines Kriegers ist, auch wenn
Kegalsik nur noch selten meine Gebete zu hören bekommt.“
Die Wachen Iridiens hatten Lilldaye schon von weitem
erkannt. Sie traten nun respektvoll beiseite und öffneten die Tore.
„Lilldaye, Hohepriesterin Balderias, wir haben deine
Anwesenheit bereits angekündigt. Mayendrik wartet auf dich.“,
verkündete eine von ihnen.
Beide Wachen konnten ihre Augen nicht von ihr lassen, wie
Lilldaye bemerkte, als sie sie beim Vorbeigehen ansah.
„Danke euch.“
Ohne Begleitung ging sie in die Tempelanlage hinein und
Terian sah ihr bewundernd nach, wie es wohl alle Männer taten, die
Lilldaye
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