Die Quelle
verböte er sich, Geheimnisse zu
haben, dennoch wäre es ihr peinlich gewesen, sollte er sie in seinem Geist
ertappen. Galtiria war nicht wie er. Sie hatte einiges zu verbergen, allem
voran ihre übertriebene Bewunderung für ihn, der Kriegserfahrung fern
von Ker-Deijas gewonnen hatte. Allein schon die Narben, die er in seinem
Gesicht trug, zeugten von der Gewalt, die er fern seines Volkes erlebt hatte,
an einem Ort, an dem die Menschen über keine wahren Heiler verfügten.
Als er nach seiner Rückkehr seinem Volk ausführlich über seine
Erlebnisse in Kaluwik berichtet hatte, war sie noch ein Kind gewesen, doch
damals war ihr bewusst geworden, wie sehr sie sich wünschte, wie er,
andere Menschen kennen zu lernen, als die ihres Volkes… Menschen, die es
wagten, Gefühle auszuleben, Menschen die in einem Anflug von Zorn nicht
immer große Gefahren vermuteten. Galtiria trug seit ihrer Kindheit die
Erinnerung seiner Erzählung in sich, wie ein kostbares Wissen, das es zu
verbergen galt. Esseldan hatte einige Jahre in Kaluwik gelebt und es war ihm
schwer gefallen, sich nach seiner Rückkehr der harmonischen
Ausgeglichenheit seines Volkes wieder anzupassen… so wie es Galtiria schon von
Kindheit an immer schwer gefallen war. Das war es, was sie dazu brachte, sich
ihm insgeheim verbunden zu fühlen, als könne er sie als einziger
verstehen, obwohl er im Gegensatz zu ihr, längst diesen Makel der
Gefühle überwunden hatte. Nicht nur darin war er ihr ein Vorbild,
auch in seinen kriegerischen Fähigkeiten, die jeden dazu brachte, in
seiner Anwesenheit gegen das verpönte Gefühl der Ehrfurcht
ankämpfen zu müssen.
Als Galtiria merkte, wie sehr sie gedanklich fern ihrer
Aufgabe irrte, rief sie sich selbst zur Raison und konzentrierte sich. Das Ziel
ihres Ausritts war nichts weiter als eine Routineerkundung und obwohl es schon
seit Jahren keine Eindringlinge mehr gegeben hatte, hätte diese Aufgabe
Galtirias ganze Aufmerksamkeit erfordert. Wie ihre Gefährten blickte sie
über die sumpfigen Reisfelder, über die weiten Prärien, die sich
dahinter erstreckten, und hielt dabei Ausschau nach Ungewohntem.
Doch sie wurde erneut abgelenkt.
Diesmal war es nicht die Anwesenheit Esseldans die sie
irritierte, sondern die Unruhe ihres Pferdes, das schlicht keine Lust mehr
hatte, durch die schlammige Landschaft zu waten. Sie versuchte telepathisch,
dem Tier das Gefühl der Feuchtigkeit unter seinen Hufen als angenehm
empfinden zu lassen, doch sie wusste, dass auch ihre starken magischen
Kräfte nicht ausreichen würden, seinen Instinkt länger zu
belügen. Kaum war die leichte Melodie ihrer Magie verklungen, wurde das Tier
wieder unruhig. Obwohl Esseldans magischen Kräfte nicht so ausgeprägt
wie die ihren waren, wandte er sich plötzlich zu ihr, als habe er die
Klänge gehört, die sie aufgerufen hatte. Kurz darauf verlangsamte er
sein Pferd, bis er auf ihre Höhe war und sie leicht spöttisch ansehen
konnte.
„Du solltest dir endlich ein junges Pferd aussuchen, das
noch keinen Schmerz in den Fesseln verspürt.“
Galtiria fühlte sich ertappt. Sie wusste, Esseldan
hatte einmal mehr Recht, dennoch suchte sie nach einem Weg, ihm zu
widersprechen. Sie sollte ihr Pferd nicht unnötig quälen… Doch es war
das beste Pferd, das sie jemals geritten war… Sie war noch nicht bereit, auf
diesen Hengst zu verzichten. Im Kampf wusste er immer genau, was er zu tun
hatte, ohne dass sie sich um ihn kümmern musste.
„Ja, du hast Recht, aber ich glaube nicht, dass ich
jemals wieder ein Pferd finden werde, das wie ein Krieger denkt.“,
rechtfertigte sie sich.
Als der Spott in Esseldan Blick sich zu verdeutlichen
schien, hätte sich Galtiria am liebsten selbst für ihre kindische
Reaktion geohrfeigt. Wie sollte sie jemals seinen Respekt gewinnen, wenn sie
sich in seiner Anwesenheit stets bloßstellte? Esseldans Tadel klang trotz
seines Befehlstons recht milde.
„Wenn du es nicht versuchst, wirst du auch keines finden.
Morgen gehen wir in trockene Gebiete in den Wäldern, das ist dann das
letzte Mal, dass ich dich mit diesem Pferd sehen werde.“
Galtiria würde dem Befehl Folge leisten müssen.
Nicht nur weil er von Esseldan kam, sondern auch weil es richtig war. Wenn sie
mit ihrem Pferd gedanklich verschmolz, konnte sie den ziehenden Schmerz in
seinen Gelenken spüren, als seien es ihre eigenen. Sie durfte das Tier
nicht länger aus Egoismus quälen.
Esseldan trieb sein Pferd telepathisch voran und nahm
seinen Platz an vorderster
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