Die Quelle
Gefühl des Tiere wieder
aus seiner Gedankenwelt zu bannen. Der Wasserlauf setzte sich aus den unzähligen
kleinen Zubringern aus der Stadt und den Feldern wieder langsam zu einem
breiten Fluss zusammen und bahnte sich träge einen Weg gen Süden durch
die Landschaft. Am östlichen Ufer angrenzend verdunkelte ein dicht
bewachsenes Waldgebiet den Horizont. Nur wenige Stellen am Waldrand wirkten so,
als boten sie eine Möglichkeit das Dickicht zu betreten. Es erinnerte
Leathan an die Urwälder aus Lisas Welt...
Esseldan hatte Leathan Zeit gelassen, die Landschaft zu
entdecken, doch nun tippte er ihn an und deutete auf die Stadt hinter ihnen.
Sie befanden sich weit entfernt vom Kern der Stadt und aus dieser Distanz
betrachtet, bot sie einen überwältigenden Anblick. Das Weiß des
Marmors leuchtete am Hang des Berges, unterbrochen von farbigen, üppigen
Gärten und den vielen Wasserfällen. Von hier aus wirkte die Stadt
eher wie ein riesiger Garten mit weißen Wegen, die durch ihn
hindurchführten. Die Gebäude als solche waren kaum zu erkennen.
Leathan konnte sehen, wie die Flanke des Berges auch außerhalb der Stadt
aus demselben harten, weißen Gestein bestand und dort nur wenige
Flächen bot, auf denen Erde zu finden war und Wildpflanzen wuchsen.
Er überlegte, wie es möglich gewesen war, dem
harten Berg eine Stadt zu entreißen, die nun so wirkte, als sei sie schon
immer Teil der natürlichen Landschaft gewesen. Sogar Esseldan schien noch
immer die Anmut seiner Heimat zu bewundern, als könne er sich nicht daran
satt sehen. Esseldan beschrieb leicht verträumt, was Leathan tagszuvor aus
Serfajs Erinnerungen entnommen hatte.
„Ohne die Macht der Quelle wäre es nicht
möglich gewesen, eine solche Stadt zu erbauen. Es wäre sogar schwer,
sie nur zu erhalten. Wer sie aber tatsächlich gebaut hat, weiß
keiner. Mein Volk war früher ein Nomadenvolk, bis wir diese Stadt entdeckt
haben. Das war vor mehr als tausend Jahren… Komm jetzt, Zeit für Taten!“
*
Beide betraten einen großen, halbüberdachten
Innenhof, der an die Außenmauer der Stadt grenzte. Der Boden bestand
lediglich aus hart gestampfter Erde. Der Lärm einiger trainierender Soldaten
übertönte alle anderen Geräusche, abgesehen von leisen,
magischen Klängen, die hier allgegenwärtig zu sein schienen. Leathan
blieb fasziniert stehen, um die Kampftechniken zu bewundern, während Esseldan
einige Schritte weiter ging, zu einem der Trainer, ein eher kleiner,
älterer Mann, der in allem quadratisch wirkte und den Anführer der
Armee herzlich begrüßte.
„Esseldan, schön zu sehen, dass es dir gut geht. Du
kommst doch nicht etwa zum Trainieren her, oder? Ich möchte keinen
Ärger mit deinen Heilern!“
Esseldan deutete auf Leathan und das Gesicht seines
Ansprechpartners erhellte sich. Wie Leathan feststellen musste, fanden es beide
Männer recht belustigend, einen Anfänger im Körper eines
erfahrenen Kriegers vor sich zu haben. Gemeinsam stellten sie Leathans
Trainingsprogramm zusammen. Sie wirkten dabei wie zwei Verschwörer und
Leathan konnte ihrem Gespräch kaum noch folgen, so leise sprachen sie. Er
verzichtete darauf, in ihren Gedanken zu erforschen, was sie für ihn
planten und offensichtlich vorläufig verheimlichen wollten. Erfahren
würde es Leathan ohnehin schon bald.
Seine Aufmerksamkeit galt mehr dem Training, der bereits
stattfand. Einige Krieger übten Kampftechniken zu Pferd, was besonders
beeindruckend war. Sie ritten ohne Sattel oder Zaumzeug, so wie in
Indianerfilmen zu sehen war, die zu Zeiten Elenas gedreht worden waren. Nur ein
Gurt umschürte die Pferde. Dieser diente als Halterung für Schwert
und Bogen, und bot den Reitern, durch die Schlaufen, die daran angebracht
waren, eine Möglichkeit sich während besonders kniffligen
Übungen daran festzuhalten. Obwohl die Pferde kein Zaumzeug trugen,
schienen sie immer zu wissen, was sie zu tun hatten und Leathan wunderte sich,
ob diese etwas klein geratenen, stämmigen Pferde vielleicht intelligenter
waren, als die Tiere, die es in Lisas Welt gab.
Obwohl die Schwerter, die zum Training verwendet wurden,
aus Holz waren, schien es lebensbedrohlich, wenn zwei Kämpfer aufeinander
prallten. Im vollen Galopp stürmten sie aufeinander zu. In letzter Sekunde
machten die Pferde eine Kehrtwendung, so dass beide Reiter ungehindert
aufeinander einschlagen und dabei noch immer die Wucht ihres Anlaufes nutzen
konnten. Beide Schwerter stießen mit voller Kraft gegeneinander, beide
Kämpfer
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