Die Rache-Agentur
Kopf gedreht hatte, um die schicken Hotelgäste zu beobachten, die über den Marmorboden schlenderten. Ein Gentleman aus Asien hatte gerade die Lobby betreten und begrüßte zwei Geschäftspartner lauthals und herzlich mit Handshake und einem Lächeln.
«Menschen lassen sich schwer einschätzen, oder? Sie könnten gewöhnliche Ladenbesitzer sein oder hier einen Millionen-Öl-Deal verhandeln.»
Georgie antwortete nicht. Genauer betrachtet, hatte sie fast nichts gesagt, seit Flick sie abgeholt hatte, und das war sehr untypisch für Georgie. Denn genau das mochte Flick an ihr so sehr: ihre lebhaften Gespräche über Libby oder einen ihrer Kunden. Georgie brachte Flick immer zum Lachen, und nach dem schrecklichen Club-Fiasko von letzter Nacht hatte Flick an diesem Morgen eine etwas ausführlichere Lagebesprechung erwartet. Doch Georgie war schweigsam, und ihre Augen waren verdächtig rot und geschwollen.
«Es geht mich ja nichts an, aber hattet ihr einen Ehekrach? Hast du den Deckel des Marmite-Glases offen gelassen?», hatte sie irgendwann gefragt. Aber Georgie hatte ihr nicht gleich geantwortet. Eigentlich waren sie schon fast in South Kensington angelangt, als sie endlich gemurmelt hatte: «Nein, wir hatten keinen Ehekrach.» Flick war nicht weiter darauf eingegangen, und nachdem sie mühsam einen Parkplatz gefunden hatten, waren sie durch den Park zum Hotel gelaufen. Georgie hatte kein Wort darüber verloren, wie hübsch alles war und wie viel lieber sie sich jetzt in die Wiese setzen und ein Eis essen würde.
Flick hoffte, dass ihr Schweigen sie nicht verdächtig machte – zwei wassertrinkende Frauen, die kein Wort miteinander sprachen –, doch die Stimmung, die von Georgie ausging, signalisierte klar: keine weiteren Fragen. Also hielt sich Flick zurück und beobachtete stattdessen durch das Fenster den Hotelpagen bei der Begrüßung von Gästen, die in Taxis und Limousinen vorgefahren kamen. Flick hatte gehört, dass sie so saftige Trinkgelder zugesteckt bekamen, dass sie das im wahrsten Sinn des Wortes in ihren bestickten Mänteln warm hielt. Doch sie konnte sich trotzdem nicht vorstellen, diesen Job zu machen. Hotelangestelltemussten charmant sein, um selbst für die anstrengendsten Gäste ein Lächeln übrigzuhaben. Und Flick war sich ziemlich sicher, dass sie jedem gegen das Schienbein getreten hätte, der unhöflich zu ihr war. Davon abgesehen, wer hatte jemals von einer Hotelpagin gehört? Das war wirklich kein Job, um den sich eine der Frauen, die sie kannte, gerissen hätte. Flick war so beschäftigt, eine zierliche Ausländerin zu beobachten, die voller Eleganz mit einem winzigen Hund im Arm aus einem Bentley stieg, aus dem ein Berg von Louis-Vuitton-Koffern verschiedener Größe geladen wurde, dass sie fast übersehen hätte, wie sich Ben Houghtons große Gestalt durch die Eingangstür des Hotels schob. Er blieb stehen, während sich die Tür hinter ihm schloss, und blickte sich in der Lobby um. Flick sah schnell weg, bevor sein Blick sie streifte.
«Psst, das ist er», zischte sie Georgie zu, die desinteressiert in einem Hochglanzmagazin geblättert hatte. Georgie reckte den Hals und musterte ihn von oben bis unten.
«Ist sein Flittchen ebenfalls hier?»
Flick hatte sich eingebildet, die Leute in der Lobby bereits genau unter die Lupe genommen zu haben. Doch wie aus dem Nichts tauchte von rechts neben der Rezeption eine klassische Schönheit auf, die aussah, als stamme sie aus dem Nahen Osten. Sie war kleiner als Flick – wer war das nicht? –, doch der elegante Schwung ihrer schlanken Beine wurde durch ihre schwarzen Pumps betont. Sie trug ein cremefarbenes Kostüm mit dezentem Schmuck. Ihr makellos frisierter schwarzer Bob rahmte ein ebenso makellos geschminktes Gesicht ein. Sie wirkte nicht wie eine Frau, die sich die Frisur an einem leidenschaftlichen Nachmittag voller Ausschweifungen durcheinanderbringen ließ, doch vielleicht war das ja ihr Geheimnis. Vielleicht trug sie unter ihrem Kostüm schwarze Spitzenunterwäsche und Strapse. Bei diesem Gedanken fühlte sich Flick leicht unwohl. Die Frau schlenderte auf Ben zu undhielt ihm die Hand entgegen, wobei ein großes, klimperndes Bettelarmband aus Gold zum Vorschein kam. Als er sie entdeckte, lächelte er breit, gab ihr die Hand und küsste sie auf beide Wangen.
«Sehr cool, Mr Houghton», murmelte Flick, und nachdem sie sicher war, dass niemand ihr zusah, hob sie so unauffällig wie möglich ihr Handy, um die Begrüßung der
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