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Die Rache der Engel

Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra
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bei ihm weder Blutergüsse noch größere Wunden entdecken, doch obwohl man ihn nur mit Klebeband geknebelt hatte, wirkte er mutlos und handlungsunfähig. Allens eigene Lage sah leider weitaus hoffnungsloser aus. Er hatte sehr viel Blut verloren, für einen Fluchtversuch fühlte er sich zu schwach, seine Arm- und Beinmuskeln waren stocksteif und er war sich der Tatsache bewusst, dass sein Überleben in diesem Zustand keineswegs geischert war. Wenndas überhaupt zu dem Plan ihrer Entführer gehörte.
    Sieben unendliche Stunden lang, in denen sie weder Wasser noch frische Luft bekamen, machte keiner der beiden Männer Anstalten, mit dem anderen zu sprechen.
    Diese Verschleppung aus der Stadt dauerte länger als erwartet. Wenn die Absicht des » Mönchs« aus Etschmiadsin darin bestand, es einem eventuellen Befreiungskommando der NSA schwierig zu machen, dann handelte er genau richtig. Man schaffte sie weit weg von der Kathedrale, brachte sie in eine unwirtliche Ebene mitten im Nichts, in eine Landschaft, deren Anblick sie erschaudern ließ.
    Faber und Allen bemerkten sofort das Bauwerk, das sich etwa 100 Meter von ihnen entfernt jenseits eines großen dunklen Kraters erhob. Ein Stück daneben fiel ihnen außerdem eine Art Minarett auf einem kreisrunden Fundament ins Auge. Es war unten breiter als oben, offenbar sehr alt und sah wie ein Finger aus, der zum Himmel zeigte. Teile davon waren von Lehmziegeln bedeckt, so als sollte das Bauwerk vor indiskreten Blicken geschützt werden.
    » Wo… Wo sind wir?«, stammelte Nick.
    » Das ist das freie Kurdistan, Colonel Allen«, verkündete Artemi Dujok feierlich, indem er über den Abgrund wies, der sie von den Gebäuden trennte. » Das heilige Land von Noahs Erben.«
    Martin rang nach Luft.
    Sie mussten etliche Kilometer zurückgelegt haben, um diese Stelle zu erreichen. Von hier aus konnten sie die verschneiten Gipfel des benachbarten Ararat im letzten Abendlicht schimmern sehen.
    » Was machen wir hier?«, stieß Allen hervor. » Sie können nicht einfach so zwei amerikanische Staatsbürger festhalten!«
    Der Schnauzbärtige und seine Männer setzten ein falsches Lächeln auf.
    » Ach so. Erkennen Sie denn den Ort nicht wieder, Colonel Allen?«
    » Ich schon«, fiel ihm Martin ins Wort, während er zum Horizont zeigte. » Das ist Agri Daghi, das heißt auf Türkisch ›Schmerzensberg‹. Oder Urartu, ›die Pforte nach oben‹, auf Armenisch.«
    » Sehr gut, Mr Faber. Heute werden Sie erfahren, warum die Türken den Berg so nennen.«
    » Soll das Ihr Plan sein?«, flüsterte Martin. » Sie wollen uns hier aussetzen? Hier, mitten in den Bergen? Oder wollen Sie uns etwa in diese Schlucht werfen?«
    » Nein, nein, keineswegs.« Dujok setzte wieder sein merkwürdiges Lächeln auf. » Das würde Ihnen ja unverdient die Chance bieten, Ihrem Schicksal zu entkommen, Mr Faber. Wir wollen, dass es Ihnen wehtut. Wir Yeziden, das müssen Sie mir glauben, machen unsere Sachen gewissenhaft.«
    » Yeziden?«
    Aus irgendeinem Grund erschauderte Martin, als er das Wort hörte. Er blickte verblüfft zu dem Armenier, während dieser an den Rand des Kraters trat und mit besorgniserregender Befriedigung hinabsah. Obwohl es Mitte August war, setzte mit dem Sonnenuntergang ein kalter Nordwind ein, der den beiden Gefangenen wahrlich keinen Trost spendete.
    » Weißt du, wer die…?«, flüsterte Allen, als Dujok sich ein wenig abwandte.
    » Selbstverständlich«, sagte Martin. » Mein Vater hat mir viel von ihnen erzählt. Er hat dieses Gebiet vor Jahren erforscht und erstaunliche Dinge über diese Leute erzählt. Hier hält man sie für Teufelsanbeter, aber in Wirklichkeit haben sie den einzigen exklusiven Engelskult der Welt bewahrt. Die yezidischen Heiligen rasieren niemals ihre Schnauzbärte. Schau sie dir an. Sie glauben an die Reinkarnation. Sie tragen keine blauen Kleidungsstücke. Sie halten sich für die Überlebenden mehrerer Sintfluten und insofern für die einzigen treuen Beschützer von Reliquien wie denen, die in der Kathedrale von Etschmiadsin bewahrt werden.«
    » Fanatiker«, schimpfte Allen verärgert.
    » Aber keine Mörder.«
    » In der Kathedrale hätten sie mich beinahe umgebracht.«
    Darauf hatte Martin Faber keine Antwort parat. Es hätte ihm nur wenig genutzt, einer Person, die vor kurzem fast von einem Yeziden getötet worden war, zu erklären, was für eine Faszination dieses Volk auf seine Familie ausübte. Martins Eltern hatten sich jahrelang mit deren eigentümlicher

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