Die Rache der Engel

Titel: Die Rache der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Sierra

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frisch im Gedächtnis.
    » Kannst du dich auch noch daran erinnern, was ich dir über meine Familie und John Dee erzählt habe?«
    » Dass dieser Mann eine Obsession der Fabers ist, oder?«
    » Genau«, seufzte Martin erleichtert. » Ich möchte dir noch etwas erzählen. Dee ist für uns so wichtig, weil er im Westen der Erste gewesen ist, der sich Henoch zuwandte und sich auf wissenschaftlicher Basis mit den Auswirkungen der Sintflut beschäftigte. Denn dieses Ereignis hat wirklich stattgefunden! Ganz gleich, ob als ein lokales, auf Mesopotamien beschränktes Phänomen oder als ein so globales Phänomen wie der Klimawandel. Und es hat nicht nur eine, sondern mindestens zwei Sintfluten gegeben. Die letzte war vor etwa achttausend oder neuntausend Jahren. Dee war der Erste, der das aus dem Text, den du gerade gelesen hast, geschlossen hat.«
    » Du glaubst, dass es die Sintflut wirklich gegeben hat?«, fragte ich erstaunt.
    » Selbstverständlich.«
    » Und warum willst du bei unserer Trauung daran erinnern?«
    » Meine Familie interessiert sich seit Generationen für Dee, Henoch und die Ursprünge der Menschheit. Meine Mutter hat tote Sprachen gelernt, nur um das Henochbuch im Original lesen zu können. Papa hat sich auf Physik spezialisiert, um die Metaphern im Henochbuch für das Paradies und für die Reise des Propheten ins Jenseits in technische Begriffe zu übersetzen. Und ich bin Biologe und Klimaforscher geworden, um zu beweisen, dass das Ereignis, von dem der Prophet berichtet, sich tatsächlich zwischen der ersten und der zweiten großen Überschwemmung der Erde, mehr oder weniger zwischen den Jahren zwölftausend und neuntausend vor Christus ereignet hat. Es ist… wie eine Hommage an meine Wurzeln.«
    » Wow, ihr seid ja wie die Munster-Family!«
    Martin konnte meine Ironie nicht würdigen.
    » Außerdem…«, stammelte er, » meine Eltern und ich sind gewissermaßen die letzten in einer langen Reihe von Wächtern dieses Erbes.«
    » Im Ernst?«, fragte ich ihn lachend.
    » Glauben Sie ihm, Miss«, mischte sich jetzt der Vikar ins Gespräch. » John Dee ist ein Bindeglied in dieser Kette gewesen. Ebenso wie Roger Bacon, ein Franziskaner und Universalgelehrter aus dem 13 . Jahrhundert. Und der Arzt Paracelsus. Und der Mystiker Emmanuel Swedenborg. Sogar Newton. Und noch viele andere, die für immer unbekannt bleiben werden.«
    » Schau mal, Julia, zweihundert Jahre, bevor das Henochbuch von dem schottischen Forscher James Bruce entdeckt wurde, kannte Dee den Inhalt der wichtigsten Seiten schon auswendig. Er hat in der Tat die Begegnungen zwischen dem Propheten und den Engeln so genau studiert, dass er schließlich eine Methode fand, um sie nach Belieben mit Hilfe von gewissen Reliquien aus der Zeit vor der Sintflut anzurufen.«
    » Die Adamanten!«
    » Genau.« Martins freimütiges Lächeln erhellte sein Gesicht. » Dee hat sie eingesetzt, weil er die wahre Geschichte unserer Spezies rekonstruieren wollte. Er hat entdeckt, dass aufgrund der Schuld dieser Engel, die es gewagt haben, Jahwe herauszufordern und sich mit unseren Vorfahren zu vermischen, immer noch göttliches Blut durch unsere Adern fließt. Und er hat noch etwas herausgefunden: Der Zorn Gottes endete weder mit der Vertreibung aus dem Paradies noch mit der Sintflut.«
    » Was willst du damit sagen?«
    » Die Adamanten haben ihm von einem dritten Sündenfall gesprochen. Von einem Sündenfall, den auch Henoch vorausgesagt hat und der vielleicht schon bald als großes Feuer zu uns kommen wird. Unsere Spezies ist wieder in Gefahr, Julia. Deshalb möchte ich am Tag unserer Trauung daran erinnern. Vielleicht müssen wir sie eines Tages gemeinsam retten…«

28
    In der wirklichen Welt nahmen die Dinge eine noch kuriosere Wendung, sofern das überhaupt möglich war.
    Die phosphoreszierende Wolke, die einige Minuten zuvor über der Kathedrale von Santiago schwebte, war zu Boden gesunken und hatte sich wie ein dichter Nebel in den Säulengängen ausgebreitet. Zunächst hatte sie die Form einer Linse gehabt, sich dann aber verändert und schließlich Schwaden gebildet, die sich über dem Granitpflaster ausdehnten.
    Die Wolke übte eine verblüffende Wirkung auf Menschen und Dinge aus. Dieses Geoplasma trug eine elektrische Ladung in sich, die in einem weiten Umkreis alle elektrischen Geräte außer Kraft setzen und bei Säugetieren und Vögeln das Nervensystem kollabieren lassen konnte. Nur Spezialkleidung, wie sie die Besatzung des Hubschraubers trug,