Die Rache der Flußgoetter
ich habe immer noch nicht recht verstanden, was du mir mitteilen willst.«
Natürlich war ich mir ziemlich sicher, daß er seine Botschaft schon an den Mann gebracht hatte, aber ich wollte, daß er sie unverstellt und geradeheraus wiederholte, für den Fall, daß ich seine Aussage vor Gericht brauchen würde. Doch so leicht ließ er sich nicht locken.
»Ich wollte lediglich auf mögliche Fallstricke und Gruben bei deiner Ermittlung hinweisen, die du vielleicht lieber meiden möchtest.«
Ich war drauf und dran, mich an all diesen Zweideutigkeiten zu verschlucken. »Wie stets werde ich mich nur von den Indizien leiten lassen«, sagte ich, leerte meinen Becher und erhob mich. »Und die führen mich jetzt ins Staatsarchiv.«
»Dann viel Glück«, wünschte er mir scheinheilig. »Ich werde deine Fortschritte mit Interesse verfolgen.«
Sein Interesse war mir herzlich egal, obwohl mich diplomatische Erwägungen davon abhielten, diese Tatsache zu erwähnen. Statt dessen fragte ich mich, wie er so schnell von meiner Ermittlung erfahren hatte. Doch in der kleinen, verwickelten Welt römischer Politik bekam offenbar jeder sofort von allem Wind. Ich hatte fast den ganzen gestrigen Tag an der Unglücksstelle verbracht, mit dem interrex gesprochen und einen Haufen Bauholz zum Ceres-Tempel transportieren lassen.
Neuigkeiten machten rasch die Runde.
Ich habe fast mein ganzes Leben in Rom verbracht und den größten Teil meiner Zeit der Stadt und ihren Eigenheiten gewidmet. Es gibt wenig Phänomene, die so faszinierend sind, wie die Verbreitung von Neuigkeiten und Gerüchten. Soweit ich es ergründen konnte, fungieren die Sklaven alsHauptübermittler. Sie sind überall, in den ärmlichsten Baracken ebenso wie in den Gemächern der Adeligsten und Mächtigsten.
Sie hören alles, auch wenn die Leute in ihrer Gegenwart sprechen, als hätten Sklaven keine Ohren. Sie begleiten uns überallhin, und sie reden mit einander. Einmal habe ich versucht, die Quelle eines ganz bestimmten Gerüchtes aufzuspüren, und mußte feststellen, daß es sich ungefähr so verbreitet hatte wie eine bösartige Krankheit von einem Infizierten zum nächsten. Ein gewisser equite namens Lollius, dessen Haus unweit der Stadtmauer auf dem Esquilin steht, kehrte unerwartet früher von einer Reise zurück und erwischte seine Frau im Bett mit niemand Geringerem als dem Diktator Gajus Julius Caesar, der solchen Aktivitäten durchaus zugetan war. Offenbar war Lollius altmodischer und empfindlicher als die meisten Zeitgenossen, und es folgte eine ungebührliche Posse, die damit endete, daß Caesar heftig aus seinem großen julianischen Zinken blutete.
Zufälligerweise kam eine Gruppe von Feiernden, die auf dem Heimweg von einer Hochzeit war, just in dem Moment an Lollius' Haustür vorbei, als Caesar mit schiefsitzendem Lorbeerkranz und blutiger Tunika aus dem Haus taumelte und sich in seine Sänfte fallen ließ. Kurz darauf kam Lollius' Frau schreiend aus dem Haus gerannt, splitternackt und dicht gefolgt von ihrem erzürnten Gatten, der mit weit ausladenden Bewegungen ein surrendes flagrum schwang.
Während die halbbetrunkene Gesellschaft vor Lachen zusammenbrach, ließen sich ihre Sklaven von dem Janitor , der an den Türpfosten von Lollius' Haus gekettet war, berichten, was vorgefallen war. Während sie ihren beschwipsten Herren nach Hause halfen, verbreiteten sie die Geschichte. Unter den ersten, die sie hörten, waren die Sänftenträger der Vestalin Servilia, die von einem Ritus im Tempel der Juno Lucina heimkehrte. Von dort nahm die Neuigkeit ihren Weg über die breite Via Subura bis zum Forum, wo die Träger ihre Herrin vor dem Haus der Vestalinnen absetzten und losstürmten, um mit den Sklaven zu tratschen, die auf dem Forum herum lungerten, was die meisten Sklaven bei jeder sich bietenden Gelegenheit tun.
Vom Forum verbreitete sich die Geschichte wie eine Explosion schädlicher Gase nach einem Ausbruch des Aetna.
Mich ereilte sie im Tempel des Jupiter Optimus Maximus auf dem Capitol, wo Caesar den Senat zu einer Sitzung einberufen hatte. Ich glaube, auf der Tagesordnung stand die Bestätigung Cleopatras als ägyptische Königin, doch wir kamen nie dazu, die Angelegenheit zu erörtern. Die Nachricht von dem Zwischenfall war schneller den Capitol hinaufgeströmt, als Wasser hätte hinabfließen können.
Caesar traf ein, den vergoldeten Kranz wieder ordnungsgemäß auf demkahlen Haupt, gewandet in einer schneeweißen Tunika und der purpurnen Triumphrobe,
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