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Die Rache der Flußgoetter

Die Rache der Flußgoetter

Titel: Die Rache der Flußgoetter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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zwei Fingerbreit voneinander entfernt waren.

    »Sieh dir das hier mal an«, sagte Justus. Er hockte am Ende eines geborstenen Balkens. Das zerklüftete Ende wies drei parallele Furchen auf. »An dieser Stelle wurde durchgebohrt. Deswegen ist es an dieser Stelle eingeknickt. Diese Insula ist nicht ein-fach so eingestürzt, Ädile. Sie wurde vorsätzlich zum Einsturz gebracht.« Hermes hatte sein Messer gezückt, während er mit der anderen Hand an einer Stelle über das Holz strich, wo er einen kreisrunden Abdruck entdeckt hatte. Er stach mit der Spitze des Messers in den Kreis und zog damit vorsichtig einen langen, weißen Zylinder heraus. Triumphierend präsentierte er auf seiner Klinge eine knapp fünfzehn Zentimeter lange Kerze, die unten mit Ruß oder einer anderen dunklen Substanz eingerieben worden war, um sie im Holz zu tarnen.
    »Erinnerst du dich noch an all die Kerzen, die auf dem im Keller stehenden Wasser geschwommen sind?« fragte Hermes.
    »Justus«, sagte ich, »du bist ein Holzfachmann. Was sagt dir das über den Mann, der es getan hat?«
    »Abgesehen davon, daß er ein kaltblütiger Mörder ist, meinst du? Nun, er wußte nicht viel über Holz und Statik. Die Bohrlöcher sind ziemlich wahllos. Wenn er etwas über Statik gewußt hätte und darüber, wo die Hauptbelastungspunkte liegen, hätte er das ganze Bauwerk mit nicht mehr als einem Dutzend Löcher, drei oder vier dicht neben einander an den richtigen Stellen in den richtigen Balken, zum Einsturz bringen können.« »Hätte er selbst noch rechtzeitig entkommen können?« fragte ich. »Höchstwahrscheinlich. Schwere Balken wie diese geben nicht einfach lautlos nach. Wenn der Täter wußte, auf welche Geräusche er achten mußte, hätte er noch ein paar Augenblicke gehabt, sich in Sicherheit zu bringen. Es sieht so aus«, fuhr er mit einer Geste auf das ausgebreitete Holz fort, »als ob es an sechs oder sieben Stellen gleichzeitig nachgegeben hat, so daß die ganze Insula in den Keller gekracht ist.«
    »Justus«, sagte ich ernst. »Ich möchte, daß du dieses Holz versteckst. Bedecke es mit Schutt oder irgendwas. Ich möchte es als Beweismittel vor Gericht verwenden.«

    Ein Anflug von Besorgnis huschte über sein Gesicht.
    »Keine Angst«, beruhigte ich ihn, »mir ist völlig klar, daß du dich keines Vergehens schuldig gemacht hast.«
    »Um ehrlich zu sein, sind es nicht die Gerichte, die mir angst machen.«
    »Ich habe die Absicht, Marcus Caninus auf der Stelle zu verhaften«, versicherte ich ihm. »Und sei es nur wegen der Manipulation von Beweismaterial.«
    »Wie du befiehlst, Ädile.«
    Mir kam ein weiterer Gedanke. »War Justus dein Sklavenname?«
    »Ja, Herr. Ich wurde zur Feier der Geburt des ersten Enkels meines Patrons zusammen mit fünfzig anderen Sklaven freigelassen.«
    »Und du hast nicht den Namen deines früheren Herrn angenommen?« fragte ich ihn, weil das an sich so Sitte war.
    »Nun, Herr, das habe ich schon, aber ich benutze ihn nie. Ich weiß, esist der Name, der auf meinem Grabstein stehen wird, aber Justus ist kein ausländischer Name, und ich habe ihn mein ganzes Leben lang getragen.
    Außerdem«, er senkte schüchtern den Kopf, »bin ich bloß ein einfacher Arbeiter, der dieselbe Arbeit verrichtet, die er schon als Sklave verrichtet hat. Ich käme mir albern vor, wenn ich als Marcus Valerius Messala Niger herumlaufen würde.«
    Justus hielt die Augen niedergeschlagen, so daß er meinen überraschten Blick wohl gar nicht bemerkte. Doch als ich seinen Hof verließ, hatte ich viel Stoff zum Nachdenken.

VIII
    In der Nähe des Tores machten wir Rast in einer kleinen Taverne. Ich brauchte eine Pause zum Nachdenken, und es wurde Zeit, etwas zu trinken und zu essen. Wer konnte wissen, wann sich dafür erneut die Gelegenheit bot? Wir fanden einen Tisch unter einer Laube, die um diese Jahreszeit noch praktisch kahl war, so daß das Licht in Rhomben herabfiel und Tisch, Boden und uns selbst wie Bilder eines Mosaiks aussehen ließ. Ich bestellte einen nur sehr leicht gewässerten Wein, mit dem wir das in Öl getunkte Brot und die Oliven hinunter spülten.
    Eine Weile aßen wir schweigend.
    »Es war der große Sklave, stimmt's?« sagte Hermes schließlich, das Schweigen brechend.
    »So muß es gewesen sein«, stimmte ich zu. »Deswegen war er angezogen und wurde im Stehen eingequetscht. Ich weiß nicht, warum mir der Gedanke nicht vorher gekommen ist. Die Vorstellung, daß er aufrecht stehend in den Keller gestürzt ist und an die

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