Die Rache der Flußgoetter
Wand gedrückt wurde, war ziemlich weit hergeholt. Er hat ein Loch zu viel gebohrt, und das Gebäude ist zur Unzeit über ihm zusammen gebrochen.«
»Aber warum hat er das getan?« fragte sich Hermes. »Nur um seinen Herrn und seine Herrin zu töten? Das kann ich gut verstehen. Du hast ja gesehen, wie die Leute ihre Sklaven behandelt haben. Aber warum sollte er mehr als zweihundert Menschen umbringen, nur um die beiden loszuwerden?«
»Ich vermute, daß er sie wirklich persönlich ermordet hat«, sagte ich. »Es war kein Problem für ihn, ihnen den Hals zu brechen, in den Keller zu gehen und die letzten paar Löcher zu bohren, um den Mord als Unfall zu tarnen. Aber er war nicht flink genug.«
Hermes schüttelte den Kopf. »Das ergibt trotzdem keinen Sinn.«
»Nein, das tut es nicht. Rache ist ein hinreichendes Motiv für einen Sklaven, aber es erklärt nicht das Verhalten diverser anderer Personen seit dem Unfall. Der Sklave hatte wohl einen persönlichen Grund, die Welt von seinen beiden Peinigern zu befreien, aber irgend jemand muß ihn zu der anderen Tat angestiftet haben.«
Ich vergoß ein wenig Wein, malte mit der Fingerspitze einen Kreis und strich ihn durch. Erst nach einer Weile wurde mir bewußt, was ich gezeichnet hatte: den griechischen Buchstaben Theta. In der Kurzschrift der Circusspiele steht er für thanatos : tot. Nach einer munera werden die Namen der getöteten Gladiatoren in die Wände geritzt und mit diesem Zeichen versehen.»Zwei Namen tauchen immer wieder auf«, sagte ich. »Marcus Valerius Messala Niger und Marcus Aemilius Scaurus.«
»Das sind zwei sehr bedeutende Namen«, bemerkte Hermes.
»Richtig, und Valerius Messala steht im Begriff, sich in die politischen Angelegenheiten meiner Familie ein zu schmeicheln. Die Familie hat mir massiv angedeutet, ich solle die Untersuchung fallenlassen.«
»Vielleicht solltest du das wirklich tun.«
»Damit irgend jemand mit der Ermordung einer ganzen Insula voller Menschen, Freie und Sklaven gleichermaßen, ungeschoren davonkommt? « empörte ich mich. Hermes spreizte die Hände. »Ich bin nur ein Sklave. Ich tue, was man mir sagt. Aber wenn deine Familie dagegen ist, daß du die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehst, wird es verdammt schwierig werden, irgendwas zu erreichen.«
»In letzter Zeit haben sie eine Reihe von Dingen unternommen, die ich nicht gutheißen kann«, sinnierte ich laut, mehr für mich selbst. »Weißt du, warum meine Familie so bedeutend ist, Hermes?«
Er sah mich verblüfft an. »Nun, ihr seid eine der ältesten der vornehmen Familien -«
»Sicher. Aber die Julier sind noch älter und haben trotzdem seit Jahrhunderten keine Rolle mehr gespielt. Gajus Julius Caesar ist seit den Tagen der Könige der erste, der sich einen Namen gemacht hat. Nein, wir Metelli versorgen Rom schon länger mit Praetoren, Konsuln und Censoren, als es schriftliche Dokumente gibt, aber wir haben die römische Politik der letzten Jahre vor allem aus einem Grund dominiert: Wir haben Sulla gegen Marius unterstützt. Als Sulla Diktator wurde, waren die Männer, die jetzt die Familienältesten oder sogar schon tot sind, seine mächtigsten Anhänger: Celer, Pius, Creticus, der alte Numidicus und mein Vater.« Hermes rutschte verlegen auf seinem Stuhl hin und her. »Ich interessiere mich nicht besonders für Politik oder Geschichte.
Das ist etwas, was Sklaven nicht betrifft.«
»Was für ein Lügner du bist und noch ein schlechter dazu!
Deine großen Schlappohren kriegen doch sonst alles mit, was dir irgendwie nutzen könnte. Und als mein persönlicher Sklave mußt du mehr über Politik wissen als die meisten Senatoren.
Aber nur zu, stell dich dumm. Vielleicht lebst du dann länger.«
Einigen mag es seltsam vorkommen, daß ich so offen mit einem Sklaven sprach. Aber es ist eine Tatsache, daß der Status eines Sklaven in Rom nicht notwendigerweise ein lebenslängliches Schicksal war. Ein fähiger Sklave wie Justus konnte darauf hoffen, freigelassen zu werden und es in der Welt zu etwas zu bringen. Nach ein oder zwei Generationen war derMakel vergessen. Ich saß im Senat neben Männern, deren Großväter noch Sklaven gewesen waren. Und gelegentlich wurde sogar eine Generation übersprungen. Nicht wenige Freigeborene ohne männliche Nachfahren adoptierten besonders geschätzte Freigelassene, auf daß jene den Namen ihrer Familie mit allen damit verbundenen Privilegien weiter trugen, als wären sie damit geboren worden.
Sobald Hermes die geringsten
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