Die Rache der Flußgoetter
Anzeichen von Verantwortungsgefühl erkennen ließ, hatte ich fest vor, ihn freizulassen. Als mein Freigelassener würde er durch das Patronat weiter an mich gebunden bleiben, doch er würde ein freier Mann sein, der in den Volksversammlungen wählen, eigenen Besitz bilden und nach Belieben heiraten durfte. Ihn für diese zukünftige Rolle zu erziehen, hatte mich einige Mühe gekostet. Seine kriminellen Neigungen erwähnte ich bereits, doch so, wie es damals in Rom aussah, war es nicht schlecht, wenn man ein wenig von einem Verbrecher und Rüpel in sich hatte. Natürlich, Rom hat sich verändert. Seit den Reformen des Ersten Bürgers sind eher die Tugenden von Kriechern, Speichelleckern und Spitzeln erwünscht.
»Es ist klar, daß ich mit großer Vorsicht zu Werke gehen muß. Vielleicht muß ich mich wieder bewaffnen. Von jetzt an sollten wir auf einen Angriff vorbereitet sein. In normalen Zeiten schrecken selbst die Banden vor Gewalt gegen einen Magistraten im Dienst zurück, aber die Zeiten sind nicht normal, und ich bin auch kein Praetor oder Konsul. So bedeutend ist ein plebejischer Adile nun auch wieder nicht.« In der Vergangenheit habe ich innerhalb der Stadt normalerweise Waffen getragen, womit ich zum Schutze meiner eigenen Haut das Gesetz wissentlich gebrochen hatte. Ich hatte aufrichtig gehofft, daß mein Amt mir eine gewisse Immunität verleihen würde, doch diese Hoffnung verblaßte ziemlich rasch. Hermes zappelte ungeduldig auf seinem Stuhl herum.
»Du willst etwas sagen?« fragte ich.
»Warum mußt du immer davon ausgehen, daß du auf dich gestellt bist?
Du hast Freunde, Verbündete, sogar politische Gegner, die bereit wären, dir zu helfen.«
Ich dachte darüber nach. »In der Vergangenheit habe ich mich häufig auf Milos Hilfe verlassen, aber das würde zur Zeit keinen guten Eindruck machen. Er ist für einen Gutteil des Blutvergießens auf den Straßen verantwortlich und möchte im nächsten Jahr Konsul werden. Im Augenblick gibt es ein zu großes Gerangel zwischen Konsuln, Prokonsuln und Kandidaten, als daß man von dieser Seite viel Hilfe erwarten könnte, und es sieht ganz so aus, als ob Messala in Kürze interrex werden wird. Es ist, als würde man versuchen, kämpfende Elefanten zu trennen: Ich würde zu Tode getrampelt werden. Außerdem war Milo einer der ersten, die mich bezüglich dieser Ermittlung gewarnt haben. Einflußreiche Klienten vonihm sind besorgt.«
»Was ist mit Cicero? Er führt gern die Anklage, und er hat dich immer gemocht.«
»Sympathie ist ein flüchtiges Gut«, bemerkte ich. »Ich verehre und bewundere Cicero, aber seine Opposition gegen Caesar ist mittlerweile fast zwanghaft geworden. Und er weiß, daß Caesar mich, aus welchem verrückten Grund auch immer, sehr schätzt. Außerdem bin ich mit Caesars Nichte verheiratet.
Im Moment wiegen diese beiden Tatsachen sicher schwerer als alle schlummernde Zuneigung, die er vielleicht für mich empfindet. Wenn ich ihn in dieser Sache anspreche, würde er argwöhnen, daß Caesar irgendein subtiles Spiel treibt, bei dem ich als sein Vasall fungiere.«
»Und was ist mit Cato?« meinte Hermes verzweifelt. »Cato?« knurrte ich. »Ich verachte Cato!«
»Na und? Du brauchst Hilfe, keine Liebe. Er war ein großartiger Volkstribun, das Volk lobt ihn bis heute als aufrechten und unbestechlichen Feind jeder Korruption und Unfrömmigkeit, und vor allem gilt er als absolut furchtlos! Er hat sich bei mehr als einer Gelegenheit gegen den gesamten Senat gestellt, sich auf Ciceros Seite geschlagen, als die Leute dessen Exilierung oder sogar Hinrichtung verlangten, und er hat Schmiergelder zurück gewiesen, die selbst einen Pharao in Versuchung geführt hätten. Außerdem weiß er nicht, daß du ihn verachtest, weil er ein viel zu dickes Fell hat, um deine Beleidigungen überhaupt mit zu bekommen!« So viel zu Hermes' politischer Ignoranz. Der Gedanke, Cato um Hilfe zu bitten, gefiel mir nicht, andererseits gefiel es mir auch nicht, zu Caesars Lager zu gehören, aber genau dort stand ich. Alles, was Hermes über den Mann gesagt hatte, stimmte.
Zahllose römische Politiker haben sich öffentlich ihrer antiquierten Tugenden, ihrer Unbestechlichkeit und ihrer Verachtung für Gier und fremden Luxus gerühmt, aber mit Ausnahme von Cato waren sie alle Lügner und Heuchler. Er meinte jedes Wort, das er sagte, und hielt sich auch selbst an das, was er predigte. Das machte ihn mir allerdings kein bißchen sympathischer. Maßvolle moralische
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