Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
dass Ihr hier seid. Auch wenn Marian es nicht wahrhaben will, wird sie allmählich alt, und ihre Kräfte lassen nach. Sie kann Eure Hilfe gut brauchen.«
Adela fühlte, dass ihm dieses Eingeständnis nicht leichtgefallen war. Trotzdem konnte sie es sich nicht verkneifen zu sagen: »Ihr könntet auch eine weitere Magd beschäftigen, die Eure Tante unterstützt.«
»Meine Tante mag und schätzt Euch.« Yvain bedachte sie mit einem kurzen, grimmigen Lächeln. »Warum sollte ich also nach einem Ersatz für Euch suchen? Und was mich betrifft, tut es mir leid, wenn ich den Eindruck erweckt haben sollte, dass mir Eure Gegenwart unangenehm ist. Ich fürchte, ich wirke seit dem Tod meiner Frau und meiner Kinder häufig recht abweisend.«
Manchmal, wenn Adela Kranke im Dorf besuchte, hatte sie Yvain auf dem Friedhof bei der Kirche gesehen. Sehr aufrecht und, wie ihr schien, zornig stand er am Grab seiner Familie. Sie hatte keine Kraft gehabt, wirklich mit ihm zu fühlen. Trotzdem hatte sie so etwas wie Verbundenheit mit ihm gespürt und ihn um seinen Zorn, wie ihr jetzt klar wurde, beneidet.
»Ihr bleibt also?« Yvain blickte sie fragend an.
»Ja.« Adela nickte.
»Das trifft sich gut.« Yvain erhob sich. »Meine Tante lässt nämlich fragen, ob Ihr morgen wohl das Brotbacken übernehmen könntet. Morgen ist Schlachttag, und meine Tante wird nicht hier sein. Eine Verwandte von uns, die bei Aberdofy lebt, hat ihr erstes Kind geboren, und Marian wird für einige Zeit zu ihr reisen, um ihr beizustehen.«
Luce und Robin … Nur nicht an sie denken … Schmerz regte sich kurz in Adela wie eine Flamme, die an einem Holzstück aufzüngelt und gleich darauf wieder erlischt. Ihre Gefühle mussten sich auf ihrem Gesicht gespiegelt haben, denn Yvain sah sie auf einmal aufmerksam und – wie ihr schien – mitleidig an. Doch zu ihrer Erleichterung stellte er keine Fragen.
»Ja, natürlich werde ich das Brotbacken übernehmen«, hörte Adela sich sagen.
*
Adela befeuchtete ihre Hände mit Wasser und formte einen weiteren Teigklumpen zu einem Brotlaib. Die Küchentür stand weit offen. Durch den Dunst, der von den Kesseln auf der Feuerstelle aufstieg, war der Garten verschwommen zu sehen. Sie war froh darüber, auf dem Gut bleiben zu können. Bei dem Gedanken daran, dass sie bald beginnen konnte, im Garten zu arbeiten und dass dort Pflanzen aus der Erde hervorbrechen und wachsen würden, empfand sie sogar eine zaghafte Zufriedenheit.
Die Köchin, eine dralle rotgesichtige Frau, hängte die Würste über eine Holzstange. Während sie sie dann in einen Topf mit siedendem Wasser tauchte, rief sie zwei Mägden zu: »Fangt jetzt an, Zwiebeln und Rüben klein zu schneiden. Ihr wisst, dass es der Herr nicht leiden kann, wenn das Essen nicht zur gewohnten Zeit auf dem Tisch steht.«
Yvain, das hatte Adela im Laufe der vergangenen Monate wahrgenommen, sorgte zwar gut für seine Leute, aber er war auch ein strenger Herr, der keine Nachlässigkeiten duldete. Wenn ich ihm begegne, muss ich mir seine Wunde ansehen , überlegte sie, denn sie bezweifelte, dass er zu ihr kommen würde, jetzt, da Marian ihn nicht nachdrücklich dazu auffordern konnte.
Nachdem Adela den letzten Teigklumpen zu einem Brot geformt und ein sauberes Leinentuch über die Laibe gebreitet hatte, verließ sie die Küche. Denn sie wollte nachsehen, ob das Feuer im Backhaus richtig brannte. Schon bevor sie auf den Wirtschaftshof einbog, hörte sie Pferdewiehern und Männerstimmen bei den Stallungen. Instinktiv zog sie sich in den Schutz einiger Büsche am Rand des Gartens zurück und spähte von dort zu den Nebengebäuden.
Eine Gruppe von Reitern war eben auf dem Hof angekommen und wurde von Yvain begrüßt. Ihrer kostbaren Kleidung und den teuren Pferden nach zu schließen, die die Knechte in Empfang nahmen, waren die Männer Edelleute. Yvain ging nun mit ihnen in Richtung des Wohnhauses, und die Knechte führten die Pferde zu den Stallungen. Eines tänzelte unruhig und machte einige Schritte in Adelas Richtung. Als der junge Knecht ungeduldig am Zügel zerrte, bäumte es sich wiehernd auf. Die Sonne schien auf seine rechte Hinterhand. Dort war ein Mal eingebrannt. Ein »W« und ein »T«, die ineinander verwoben waren.
Noch ehe Adela richtig begriff, drehte sich der Mann, der neben Yvain einherging, zu dem wiehernden Pferd um und rief dem Knecht etwas zu. Sie erkannte seine Stimme. Er war der Mann, der sie dazu überredet hatte, ihren Widerstand gegen die Soldaten des
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