Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
nachdenklich. »Ein kostspieliges und nicht ungefährliches Vorhaben …«
»Wenn dieser Plan billig und leicht umzusetzen wäre, hätte ich ihn schon längst allein in Angriff genommen«, entgegnete Matilda spöttisch. »Jetzt redet nicht lange herum. Helft Ihr mir nun, oder helft Ihr mir nicht?«
»Ich bevorzuge ja eigentlich eher die direkte Auseinandersetzung.« Richard lächelte wieder. »Aber ich gebe zu, dass die Vorstellung, William auf diese Weise auszuschalten, durchaus auch etwas für sich hat. Ja, Ihr könnt auf meine Unterstützung zählen.«
*
Nachdem Adela die letzten Kettfäden durchtrennt und den braunen Stoff zusammengefaltet hatte, blieb sie still vor dem Webstuhl sitzen. Mittlerweile war es Ende März. Die Büsche draußen vor ihrer Hütte trugen die ersten Blattknospen. Die letzten Tage waren warm gewesen, und die Sonne hatte den Schnee bis auf einige Reste im Schatten weggetaut. Den ganzen Winter über, seit sie in der Lage gewesen war, das Wohnhaus zu verlassen, hatte sie in ihrer Hütte an dem Webstück gearbeitet.
Den Faden durch das Fach des Webstuhls ziehen … Dann die Tritte betätigen und das Fach ändern … Sich auf diesen immer gleichen Wechsel zu konzentrieren hatte ihr anfangs über diese trostlosen Tage hinweggeholfen. Sie wusste, dass Marian sich Sorgen um sie machte und sie gern in ihrer Nähe gehabt hätte. Aber Adela war froh darüber, für sich sein zu können. Denn sie hätte die ständige Gesellschaft anderer Menschen nicht ertragen. Wobei Marian ohnehin häufig nach ihr sah.
Yvain dagegen richtete kaum einmal ein Wort an sie und wenn, dann schien er es nur widerwillig zu tun. Adela fürchtete sich nicht mehr vor ihm. Aber nach Möglichkeit ging sie ihm aus dem Weg.
Nachdem Adela die eitrige Beinwunde eines Knechtes erfolgreich behandelt hatte, hatte es sich herumgesprochen, dass sie heilkundig war. Nach und nach waren die Bediensteten und dann auch Leute aus den umliegenden Dörfern zu ihrer Hütte am Rande des Obstgartens gekommen und hatten sie um Hilfe gebeten. Die Knechte und die Mägde akzeptierten es, dass sie meist sehr schweigsam war und für sich blieb. Auch die Dorfbewohner schienen sich nicht daran zu stören.
Sie wusste, dass sie großes Glück gehabt hatte, den Winter an diesem sicheren Ort verbringen zu können und dass sie dankbar dafür sein müsste. Doch meistens empfand sie gar nichts. Weder Freude noch Traurigkeit, nur eine große Leere.
Als sie Schritte draußen im Gras auf der Obstwiese hörte, dachte sie, Marian würde sie wieder einmal besuchen, ihr Eier oder Milch oder Wäsche zum Ausbessern bringen, sich zu ihr an den Tisch setzen und ihr von den neuesten Ereignissen auf dem Gut erzählen.
Doch zu ihrer Verwunderung trat Yvain in die Hütte. Zögernd blieb er an der Tür stehen. »Meine Tante schickt mich«, erklärte er schließlich knapp. »Sie meint, Ihr solltet Euch meine Hand einmal ansehen. Beim Schnitzen eines Pfeilschaftes ist mir das Messer ausgerutscht.« Er hielt Adela seine Linke hin, um die, wie sie jetzt sah, ein blutiges Tuch geschlungen war.
Vorsichtig entfernte sie den Lappen. Eine tiefe Schnittwunde befand sich in dem Daumenballen.
»Abfaulen wird mir die Hand wohl nicht gleich«, bemerkte Yvain ironisch.
Die Instinkte einer Heilerin regten sich in Adela und vertrieben ihre gleichgültige Stimmung. »Da täuscht Ihr Euch. Wenn die Wunde nicht gereinigt wird, wird sie früher oder später eitern«, erwiderte sie scharf. »Setzt Euch auf diesen Schemel und legt Eure Hand auf den Tisch.«
Er kam ihrer Aufforderung nach, während sie ein Tongefäß mit stark gebranntem Alkohol und ein anderes, das Dornen enthielt, von einem Regalbrett an der Wand nahm. Das Reinigen der Wunde und auch das Klammern der Ränder ließ Yvain stoisch, ohne mit der Wimper zu zucken, über sich ergehen. Doch währenddessen und auch dann, als sie die Verletzung mit einem sauberen Leinentuch verband, hatte sie wieder das Gefühl, dass ihm ihre Gegenwart unangenehm war. Ein plötzliches Unbehagen regte sich in ihr, das stärker als ihre Niedergeschlagenheit war.
»Ich bin Euch dankbar für alles, was Ihr für mich getan habt. Aber ich möchte Euch nicht zur Last fallen«, sagte sie impulsiv. »Es ist Frühling geworden. Ich kann das Gut verlassen …«
»Ihr fallt mir nicht zur Last.« Yvain schüttelte den Kopf. Er blickte an ihr vorbei durch die offene Tür in den Garten. Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Im Gegenteil – ich bin froh,
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