Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
Feuer als an ihn gerichtet und immer wieder von heftigem Weinen unterbrochen – erzählte Adela, was William ihr angetan hatte. Und die Hände auf die Oberschenkel gestützt, saß Yvain einfach nur da und hörte ihr zu.
*
Yvain reckte sich schwerfällig in seinem Stuhl. Er fühlte sich ganz steif. Das, was in der vergangenen Nacht geschehen war, erschien ihm wie ein wirrer Traum. Doch dann sah er, dass Adela neben dem Hund vor dem niedergebrannten Feuer lag und sich nun langsam ebenfalls regte.
Verwirrt blickte sie sich um, ehe sie sich hastig aufsetzte und ihre roten Haare aus dem Gesicht strich. »Mein Gott, was habe ich Euch alles erzählt?«, fragte sie unsicher.
»Ihr habt das alles, glaube ich, vor allem Euch selbst erzählt. Es war nichts dabei, dessen Ihr Euch schämen müsstet.« Yvain registrierte, dass ein heller Lichtstreifen durch die Ritzen der Fensterläden fiel. Die Morgendämmerung war angebrochen. Er stand auf. »Ich bringe Euch jetzt wohl besser zu der Hütte.«
Tatsächlich war der Himmel im Osten ganz hell, als sie aus dem Haus traten. Die Sonne musste gleich über den Hügeln aufgehen. Ein Knecht, der einen Futtereimer über den Hof schleppte, begegnete ihnen und starrte sie einen Moment lang verblüfft an, ehe er Yvain hastig grüßte und so tat, als würde er Adela nicht bemerken.
Also doch , dachte Yvain und unterdrückte ein Seufzen.
Auf dem Weg durch den Garten sprachen er und Adela nicht miteinander, aber Yvain empfand das Schweigen nicht als bedrückend. Vor der Hütte blieben sie stehen. »Danke, dass Ihr mir nachgeritten seid«, sagte Adela leise. »Und dass Ihr mir zugehört habt.«
Gott im Himmel, derartige Gespräche waren nun wirklich nicht seine Sache. Wieder fühlte sich Yvain sehr hilflos. »Ihr müsst mir nicht danken …«, wehrte er ab.
»Kommt heute Nachmittag zu mir, damit ich mir Eure verletzte Hand ansehen kann«, sagte sie, ehe sie in die Hütte schlüpfte. Yvain war fast erleichtert, als sich die Tür hinter ihr schloss. Trotzdem kam es ihm vor, als sei ihm während der vergangenen Nacht etwas Kostbares geschenkt worden.
Als er später zusammen mit den Knechten auf dem Feld arbeitete und Furchen für die Aussaat pflügte, stellte er plötzlich fest, dass er zum ersten Mal seit langer Zeit vor sich hin pfiff.
*
»Ja, gut so!«, rief Simon Luce zu. Der Junge machte einen schnellen Schritt vorwärts, riss das hölzerne Übungsschwert hoch und hieb es gegen Simons Waffe. Der Schlag war kraftvoll und geschickt. Wenn Luce ihm ein körperlich ebenbürtiger Gegner gewesen wäre, hätte er ihm das Schwert wahrscheinlich aus der Hand geschleudert.
Nachdem sie noch eine Weile auf der Wiese am Fluss weitergekämpft hatten, ließ Simon sein Schwert sinken. »Genug für heute. Du hast mich alten Mann ganz schön ins Schwitzen gebracht. Du hast in den letzten Monaten wirklich große Fortschritte gemacht.«
Ein Lächeln erhellte Luces schmales, verschlossenes Gesicht, und er wurde rot vor Freude. »Seit du das letzte Mal hier warst, habe ich oft mit dem Schmied trainiert.«
Seite an Seite schlenderten sie zur Flussböschung, wo Simon seinen Mantel auszog und ihn über das vom Winter noch braune Gras breitete. Eine Ente flog ärgerlich schnatternd zwischen dem Schilf auf und ließ sich ein Stück flussabwärts aufs Wasser gleiten.
Simon holte eine Kalebasse, einen Brotlaib und einen Käse aus seinem Bündel und schnitt von beidem für Luce und sich Scheiben ab. Eine Weile aßen und tranken sie in einträglichem Schweigen.
Schließlich wischte sich Luce die Krümel vom Mund und warf Simon einen Blick von der Seite zu. »Zwischen dir und Ann ist etwas vorgefallen, nicht wahr?«
»Wie kommst du darauf?«
»Na ja, sonst haben wir uns öfter bei ihr im Garten getroffen.« Luce zuckte mit den Schultern. »Dieses Mal aber noch gar nicht. Und wenn du und Ann euch in meiner Gegenwart begegnet, dann redet ihr zwar miteinander. Mir kommt es jedoch so vor, als ob ihr das nur meinetwillen tut.«
Simon wünschte sich, Luce wäre weniger feinfühlig. »Ja, du hast Recht. Ann und ich haben uns gestritten«, gab er schließlich zu.
»Weshalb?« Luce ließ nicht locker.
»Unter anderem, weil ich der Meinung bin, dass sie als Nonne nicht glücklich ist.«
»Meine Tante wirkt anders als die meisten Schwestern«, erwiderte Luce nachdenklich.
»Wie meinst du das?«, fragte Simon amüsiert.
»Ann ist nicht gerade demütig und sanft. Meistens verhält sie sich den Kranken gegenüber
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