Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
von der Nase und wischte die Hand an seinem zerlumpten Kittel ab. »Sie ist jemand, mit dem ich lieber keinen Ärger haben möchte. Wie auch immer … Ein paar Wochen später, gegen Mittag, ich saß wieder an meinem Platz vor der Kirche, kamen ein großer, finsterer Mann und eine zierliche Frau in das Kloster. Die Frau wirkte irgendwie unsicher und ängstlich, und sie hinkte ein bisschen … Und plötzlich rannte die entlaufene Nonne auf sie zu und rief ›Adela!‹. Diese Adela und die entlaufene Nonne sahen sich ähnlich. Wenn auch die frühere Klosterschwester schöner ist …« Der Bettler blickte William de Thorigny triumphierend an. »Und, ist diese Frau nun Eure Gattin oder nicht?«
»Ja, das ist sie.« William musste seine Freude nicht heucheln. Er konnte es kaum glauben, dass er Adela tatsächlich wiedergefunden hatte. »Weißt du ob sich meine Gattin, Adela …« – er genoss es, ihren Namen besitzergreifend auszusprechen – »noch in Barking aufhält?«
Der Bettler schüttelte den Kopf. »Im Juni haben sie und der finstere Mann das Kloster verlassen. Der elf oder zwölf Jahre alte Junge und ein kleines Mädchen, das ein Jahr lang im Kloster lebte und Robin gerufen wird, begleiteten sie. Wartet …« Der Bettler dachte kurz nach. »Einmal habe ich Eure Gattin diesen Mann ›Yvain‹ nennen hören.«
Es war gut, den Namen dieses Kerls zu kennen. William lächelte den Bettler an. »Hast du eine Ahnung, wohin sie ritten?«
»Leider nein …«
»Und Adelas Schwester?«
»Verließ kurz darauf mit ihrem Liebhaber das Kloster.«
Es durfte nicht sein, dass Adela seinem Zugriff entglitt … William überlegte rasch. »Hat mein Rivale« – in gewisser Weise war dieser Mann ja sein Rivale, in welchem Verhältnis Adela auch immer zu ihm stand – »eigentlich im Gästehaus des Klosters gewohnt?«
»Das kann gut sein.« Der Bettler nickte. »Jedenfalls habe ich ihn öfter aus dieser Richtung kommen sehen. Obwohl er ziemlich unzugänglich wirkte, war er übrigens zu uns Bettlern sehr großzügig. Das muss ich ihm lassen … Und der Liebhaber Eurer Schwägerin ebenfalls …«
»Du hast dir das Geld redlich verdient.« William schob ihm die Münze zu und gab ihm noch ein weiteres Geldstück. »Aber du darfst niemandem verraten, dass ich mit dir gesprochen habe. Ich möchte nicht, dass meine Gattin gewarnt wird.«
»Keine Sorge. Von mir wird keiner ein Wort über unsere Unterhaltung erfahren.« Der Bettler grinste. »Schließlich weiß ich, was Ihr durchmacht. Mir ist auch einmal eine Frau weggelaufen.«
Nachdem der Diener den Bettler weggeführt hatte, lehnte sich William de Thorigny zufrieden in seinem Stuhl zurück. Er kannte Yvains Namen und er wusste, dass er wahrscheinlich im Gästehaus des Klosters untergekommen war. Somit würde es nicht schwer werden herauszufinden, woher er stammte – und von diesem Yvain zu Adela, davon war William de Thorigny überzeugt, war es bestimmt nicht weit.
*
Adela stach mit einer großen Nadel in das Leder und zog den Riss in der Weste mit einem – ebenfalls ledernen – Faden zusammen. Marian, die schlecht sah, hatte sie gebeten, diese Arbeit zu übernehmen. Der Oktobertag war sonnig und so warm, dass sie auf der Bank vor ihrer Hütte sitzen konnte. In der Luft glaubte Adela noch den Geruch von Getreidestaub wahrzunehmen. Vor ein paar Tagen erst waren der Weizen und der Roggen auf den nahen Feldern geerntet worden. Yvain hatte das Korn zusammen mit den Knechten geschnitten, und Adela, Marian und die Mägde waren hinter ihnen hergelaufen und hatten das Getreide zu Garben gebunden.
Robin hatte stolz geholfen, die Ähren, die dabei in den Furchen liegen geblieben waren, aufzusammeln. Der Abschied vom Kloster, den Nonnen und Matilda war ihr nicht leichtgefallen, aber mittlerweile lebte sie, glaubte Adela, gerne auf dem Hof. Es war gut, dass uns Luce den größten Teil des Weges begleiten konnte , dachte Adela. Sonst wäre die Trennung Robin bestimmt viel schwerer gefallen.
Yvain hatte Recht gehabt mit seiner Annahme, dass Marian das Kind umsorgen und verwöhnen würde. Robin verbrachte viele Stunden bei ihr. Auch zu Yvain hatte sie Vertrauen gefasst. Was gewiss auch damit zusammenhing, dass er sich bereit erklärt hatte, ihr das Reiten beizubringen. Adela hatte einige Male die Gelegenheit gehabt, die beiden dabei zu beobachten. Der auf den ersten Blick so knorrige Mann ging erstaunlich geduldig und sanft mit dem Kind um. Aber sie wusste ja ohnehin inzwischen, dass
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