Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
dies hatte nur seinen Verdacht bestätigt.
Aber dass die Äbtissin von Barking mit ihrem Halbbruder paktierte, hatte ihn nun doch sehr erstaunt. William wusste gut darüber Bescheid, wen er sich wann zum Feind gemacht hatte. Weshalb er jedoch Matildas Groll erregt hatte, konnte er sich nicht erklären. Er hatte sie durchaus immer als klug eingeschätzt. Wirklich wichtig hatte er sie allerdings nie gefunden. Nun gut, er hatte sich getäuscht.
William blieb unvermittelt stehen und fixierte ein braunes Pferd an der Tränke mit seinem Blick – ohne es jedoch wirklich wahrzunehmen. In Winchester, vor der Burg, war ihm Adela entkommen, weil plötzlich die Pferde gescheut hatten. Damals hatte Matilda zum Gefolge ihres Vaters gehört. Hatte sie vielleicht dieses Durcheinander ausgelöst, um Adela zu helfen?
Ein Lächeln huschte über Williams Gesicht. Noch war es zu früh, offen gegen Matilda und ihren verwünschten Halbbruder vorzugehen. Dazu benötigte er erst handfeste Beweise. Irgendwelche gesiegelten Papiere hatte der Bote leider nicht bei sich gehabt. Aber es konnte nicht schaden, sich in Barking einmal nach Adela umzuhören.
Kapitel 11
S o, du bist also der Mann, der mir etwas über die beiden Frauen sagen kann, nach denen ich suche.« William de Thorigny musterte den kahlköpfigen Bettler, den sein Diener zu ihm führte. Er war schätzungsweise um die dreißig Jahre alt und wahrscheinlich früher einmal Soldat gewesen. Denn sein ohnehin schon hässliches blatternarbiges Gesicht wurde zusätzlich von einer schlecht verheilten Schwertwunde verunstaltet. Sein rechtes Bein endete unter dem Knie in einem Holzstumpf, aber er bewegte sich geschickt mit seiner Krücke. Er stank penetrant, und William war froh, dass an diesem frischen Septembertag ein Kohlenfeuer in seinen Räumen brannte und die darüber gestreuten Gewürze die Ausdünstungen des Bettlers wenigstens ein bisschen milderten.
»Ja, Herr, das kann ich bestimmt.« Der Bettler nickte eifrig.
William bedeutete ihm, sich auf einen Schemel zu setzen, und legte ein Geldstück auf den Tisch. »Wenn du die Wahrheit gesagt hast, ist diese Münze dein. Aber wage es bloß nicht, mich anzulügen.«
Der Bettler betrachtete das Geld gierig. »Das würde ich niemals tun, Herr«, beteuerte er.
William hielt es für ratsam, seine Geschichte auszuschmücken. »Bei den beiden Frauen handelt es sich um meine Gattin, die mich verlassen hat, und um ihre Schwester, eine entlaufene Nonne«, sagte er und seufzte.
»Ihr scheint in eine schlimme Familie eingeheiratet zu haben, Herr«, erwiderte der Bettler teilnahmsvoll. »Ich hoffe, die beiden Weiber bekommen die Strafe, die sie verdienen.«
»Dafür werde ich sorgen.«
»Nun, ich würde sagen, dass ich ein guter Beobachter bin«, begann der Bettler. »Die meisten Leute meinen, ein Bettler sagt nur seinen Spruch auf und hält dann seine Schale hin. Aber Betteln verlangt Aufmerksamkeit und Menschenkenntnis. Manche Leute geben nur etwas, wenn man sie bedrängt, andere dann gerade nicht … Ebenso wie manche einen unterwürfigen Dank erwarten und andere wiederum sich davon abgestoßen fühlen …«
»Ja, ja, ich verstehe …« William bemühte sich, seine Ungeduld zu verbergen.
»Die Schwester Eurer Gattin kam vor etwa fünf Monaten zusammen mit einem großen, schlanken Mann und einem Jungen von elf oder zwölf Jahren in das Kloster …«
»Dieser Mann ist ganz bestimmt ihr Liebhaber …« William heuchelte Entrüstung. »Sie treibt es ja noch schlimmer, als ich fürchtete …« Bei diesem Kerl musste es sich um Simon de Bohun handeln, dachte er.
»Ja, sie scheint sich schnell den irdischen Freuden zugewandt zu haben.« Der Bettler kicherte. »Wobei ich zuerst dachte, die drei wären eine Familie. Denn die Frau trug kein Nonnengewand, sondern einen groben Wollmantel wie die Gattin eines Handwerkers oder Kaufmanns. Einige Tage darauf war sie jedoch plötzlich wie eine Nonne gekleidet. Wenn sie mir nicht aufgefallen wäre, weil sie sehr schön ist, hätte ich sie wahrscheinlich gar nicht erkannt. Und kurz darauf trug sie wieder weltliche Tracht … Wahrscheinlich verspürte sie kurz Reue über ihren Abfall, überlegte es sich dann aber wieder anders. Wobei ich allerdings nicht so recht verstehe, weshalb Äbtissin Matilda dies duldete …«
»Nach allem, was ich über sie gehört habe, gilt sie nicht gerade als besonders fromm.« William zuckte die Schultern.
»Aber sie ist streng.« Der Bettler streifte sich einen Tropfen
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