Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
über sie. Ihr Kopf lag, begriff sie ein bisschen verwundert, in seinem Schoß. »William de Thorigny … Ist er tot?«, brachte sie stammelnd hervor, denn ihre Zunge wollte ihr nicht recht gehorchen.
»Ja, Ihr habt ihn getötet. Aber als ich de Thorigny über Euch liegen sah, mit der Hand um Eure Kehle, dachte ich schon, ich wäre zu spät gekommen … Adela … ich …« Yvain versagte die Stimme. Wütend wischte er sich die Tränen weg, die in seinen Augen schimmerten.
»Ich weiß«, flüsterte Adela. »Ich liebe dich auch. Ich habe noch nicht lange begriffen, dass es so ist – eigentlich erst, seit William de Thorigny mich wieder bedrohte und ich auf einmal solche Angst hatte, dich zu verlieren –, aber ich liebe dich wirklich.«
Auf Yvains herbem Gesicht stritten Glück und Unglauben. »Adela, möchtest du meine Frau werden?«, fragte er schließlich fast schroff.
»Ja, das möchte ich«, murmelte sie. Sie fühlte sich zu Tode erschöpft und gleichzeitig ganz wach und glücklich.
Zwischen den Bäumen waren jetzt laute Stimmen zu hören. Gleich darauf brachen Reiter aus dem Wald hervor. Fackelschein glitt über die Lichtung. Auf einem der Pferde saß Simon, der Luce im Arm hielt.
Adela schloss zufrieden die Lider und vertraute sich ganz Yvains Umarmung an.
*
Während ein Flockenschauer niederging, zügelte Matilda ihre Stute vor den Stallungen. Sie wollte einen der Knechte herbeiwinken, die den in der Kälte dampfenden Mist wendeten. Doch der Mann, der über den Hof auf sie zuschlenderte, ließ sie stutzen. Rotblondes Haar umwehte seinen Kopf, das nun, als die Sonne kurz zwischen den Flocken hindurchschien, aufleuchtete wie Flammenzungen.
»Richard!«, rief sie verwundert.
»Teure Schwester …« Er reichte ihr die Hand und half ihr beim Absteigen.
»Ihr bringt hoffentlich keine schlechten Nachrichten? Manche Leute sagen ja, Schnee so früh im Jahr« – es war erst Ende Oktober – »sei ein böses Omen.« Mit einem Blick zu den Knechten fügte Matilda hastig hinzu: »Unserem Vater geht es doch hoffentlich gut?«
»Da ich geradewegs von seinem Hof in Winchester komme, kann ich Euch beruhigen. Der König erfreut sich bester Gesundheit.« Richard wirkte amüsiert.
»Aber Ihr bringt Nachrichten?« Matilda sah ihn von der Seite an.
»Allerdings, und zwar gute. William de Thorigny ist tot.«
Matilda registrierte, dass einige Schneeflocken auf dem roten Samt ihres Mantels langsam zu Wasser zerschmolzen. Sie benötigte einige Momente, um wirklich zu begreifen, was Richard gesagt hatte. »Wie kam er ums Leben?«, fragte sie schließlich gepresst.
»Adela tötete ihn.«
»Adela …?« Matilda starrte ihn ungläubig an.
»Ja, William verschleppte sie von Yvains Gut.« Richard berichtete ihr rasch die Hintergründe.
Sie hatten mittlerweile das Äbtissinnenhaus erreicht und Matildas Räume betreten. Richard nahm ihr den von Flocken übersäten Mantel ab und hängte ihn über einen Stuhl vor dem Feuer. Dann zog er für seine Halbschwester einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber.
Matilda hatte ihre erste Verwirrung abgestreift. Ihre Gedanken arbeiteten wieder klar. »Wie hat unser Vater die Neuig keit aufgenommen, dass die Witwe eines einfachen Ritters – der zudem in Eurem Heer gegen ihn kämpfte – einen seiner Barone umbrachte?«, meinte sie besorgt.
»Es war schon von Vorteil, dass William in Ungnade gefallen war.« Richard grinste. »Andernfalls hätte sein Tod für Adela sicher ein Nachspiel gehabt. So aber sah unser Vater keine Veranlassung, gegen sie vorzugehen. Ein glücklicher Zufall bestand außerdem darin, dass ich gerade bei unserem Vater weilte, als die Todesnachricht eintraf. Ich konnte ihn daran erinnern, dass er Adelas Mutter sein Leben verdankt. Deshalb wird er es auch nicht zulassen, dass Williams Familie Vergeltung übt.«
»Alles andere wäre ein großes Unrecht gegenüber Adela gewesen.« Matilda seufzte erleichtert. Sie musste daran denken, dass der Schnee draußen in dicken Flocken niederging und sich wie eine schützende Decke über das Land legte, und war plötzlich von einer tiefen Ruhe erfüllt. »Adela hat also Rache für ihren ermordeten Gatten genommen und für die Qualen, die ihr William zufügte«, sagte sie dann leise und mehr wie zu sich selbst. »Ich hoffe, dass sie endlich ihren Frieden finden wird.«
»Fühlt Ihr Euch eigentlich gerächt, nun da William tot ist?«, fragte Richard unvermittelt. »Denn um eine persönliche Rache ging es Euch doch von
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