Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
prasselte ein Feuer. Gilbert, der Schmied, ein muskulöser, kahlköpfiger Mann, der um die vierzig Jahre zählte, stand an seinem Amboss und versuchte, eine Stute zu beschlagen. Doch das Tier wollte sich von dem Knecht, der es zum Kloster gebracht hatte, nicht festhalten lassen. Es wehrte sich gegen den Halfter und rollte nervös mit den Augen.
»Herrgott, könnt Ihr das Tier nicht endlich beruhigen?«, brüllte Gilbert den Mann an. »Ich habe noch anderes zu tun, als diesem zickigen Mistvieh ein Hufeisen anzunageln.«
Der Knecht zerrte eingeschüchtert an dem Halfter, was nur dazu führte, dass die Stute wie wild den Kopf hin und her warf.
»Gilbert …«, Ann wünschte, sie wäre zu einem anderen Zeitpunkt gekommen, denn der Schmied war für seinen Jähzorn berüchtigt, »… ich bringe Euch Luce. Die Äbtissin hat bestimmt, dass er Euch zur Hand gehen soll.«
Gilbert ließ die Zange, mit der er das glühende Eisen gepackt hatte, sinken. Ungläubig starrte er Luce an. »Das meint Ihr doch jetzt wohl nicht im Ernst«, schnaubte er. »Ich habe die Äbtissin um eine Hilfe gebeten und nicht um einen Knirps, den wahrscheinlich schon ein kräftiger Hauch aus dem Blasebalg umwehen wird.«
»Nun ja, der Junge ist zwar noch klein, aber auch verständig«, begann Ann ein bisschen hilflos. »Er kann Euch leichtere Werkzeuge reichen, Wasser vom Brunnen holen und das Feuer in der Esse am Brennen halten.«
»Pah, der und einen Wassereimer schleppen«, knurrte der Schmied verächtlich. Doch plötzlich stutzte er. Ann hatte gar nicht bemerkt, dass sich Luce von ihrer Hand gelöst hatte. Er war zu der Stute getreten und streichelte ihren Hals.
»Du musst keine Angst haben, der Schmied tut dir nicht weh«, redete er auf sie ein. Dann fing er an, wie Kinder es manchmal tun, wenn sie in ein Spiel vertieft sind, vor sich hin zu summen. Zu Anns Verwunderung ließ die Stute entspannt den Kopf hängen, und als der Knecht nun ihren rechten Hinterlauf hochhob, damit Gilbert ihn endlich beschlagen konnte, wehrte sie sich nicht.
»Na, so was …«, murmelte der Schmied zwischen zwei Hammerschlägen, »… vielleicht ist der Kleine ja doch zu etwas zu gebrauchen.«
Luce hat offensichtlich die Begabung meines Vaters im Umgang mit Pferden geerbt, schoss es Ann durch den Kopf, während es ihr die Kehle zuschnürte. Rasch strich sie Luce durch die Haare. »Bis heute Nachmittag«, flüsterte sie.
Kapitel 4
S chneeregen peitschte Adela ins Gesicht und sie fror erbärmlich in ihrem Wollmantel. Durch den Graupelschauer sah sie am Fuße des Hügels ein Dorf liegen, das von einer hohen, kahlen Hecke geschützt wurde. Dort würde sie sich hoffentlich aufwärmen können und vielleicht fand sie ja auch einen Schlafplatz. Bis zu Nicolas’ Gehöft waren es noch mehr als acht Meilen. Eine Strecke, die sie bis zum Einbruch der Dunkelheit nicht bewältigen konnte. Seit sie vor sechs Tagen in Dover mit einem Schiff gelandet war, hatte sie ein paar Mal Glück gehabt und ein Fuhrmann hatte sie ein Stück des Wegs mitgenommen. Aber gestern und heute hatte sie laufen müssen. Ihre Schwangerschaft neigte sich mittlerweile dem Ende zu und mit ihrem dicken Leib fiel ihr das Gehen zunehmend schwer.
Vorsichtig setzte Adela auf dem glitschigen Trampelpfad ihre Schritte, um nicht zu stürzen. Eigentlich hatte sie schon vor mehr als zwei Monaten in Südengland ankommen wollen. Aber kurz bevor sie Barfleur erreicht hatte, hatten die Winterstürme eingesetzt, und mehrere Wochen lang war kein Schiff über den Kanal gefahren. Sie hatte sich ein wenig Geld durch das Spinnen von Wolle verdient. Aber wenn sie nicht den Ring der vornehmen Dame hätte verkaufen und von dem Erlös hätte leben können, wären diese Wochen für sie sehr schwierig geworden.
Als Adela endlich das Tor in der Hecke erreicht hatte, breitete sich ein von Schneematsch überzogener Weg vor ihr aus, an dessen beiden Seiten niedrige, strohgedeckte Häuser inmitten von Gärten lagen. Bei einem von ihnen, ganz in ihrer Nähe, drang Rauch aus dem Abzugsloch im Dach. Eine wohlgenährte Katze strich an seiner Vorderwand entlang. Adela beschloss, dort ihr Glück zu versuchen.
Auf der Rückseite des Hauses befand sich – wie es in dieser Gegend oft üblich war – die Küche. Wegen der Kälte waren die Fensterläden geschlossen. Im Schein eines Talglichts stand eine ältere, drahtige Frau an einem groben Holztisch und knetete einen Teig. Sie lächelte Adela freundlich an, als diese ihre Bitte vortrug.
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