Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
Tisch neben sich ab. Er hatte nur die Hälfte des Eintopfs gegessen.
»Auf dem Rückweg von Vire bin ich einem Diener des Grafen begegnet«, sagte er. »Der Mann teilte mir mit, dass er mich ohnehin habe aufsuchen wollen, denn sein Herr wolle mich sprechen.«
»Ja, und?« Adela wünschte sich, Francis käme schneller zur Sache. Aber sie wusste, dass sie ihn nicht bedrängen durfte. Graf Aubrey de Vire war sein Lehnsherr. Francis’ vor einigen Jahren verstorbener Vater war ein enger Freund von ihm gewesen. Deshalb hatte ihr Ehemann als Knappe bei dem Grafen gedient und war von ihm zum Ritter geschlagen worden. Obwohl Francis wie sein Vater weder reich war noch über Einfluss verfügte, schätzte der Graf seinen Rat.
Francis beugte sich vor. Schatten huschten über sein Gesicht und ließen seine braunen Augen dunkler erscheinen, als sie waren. »Aubrey sagte mir, dass die beiden Königssöhne Henry und Richard einen Aufstand gegen ihren Vater begonnen haben. Ihre Mutter, die Königin Eleonore, unterstützt sie dabei. Außerdem haben sie die stillschweigende Billigung des französischen Königs. Aubrey fragte mich, was ich von diesem Aufstand hielte und ob ich ihm raten würde, sich daran zu beteiligen.«
»Was hast du ihm geantwortet?« Adelas Mund war ganz trocken. Wenn der Graf in den Kampf zog, war Francis ihm zur Gefolgschaft verpflichtet. Durch die nur angelehnte Tür hörte sie, wie Luce sich drüben in der Kammer im Schlaf bewegte. Irgendwo im Garten stieß ein Käuzchen einen lang gezogenen Schrei aus.
Francis hob die Hände. »Ich habe Aubrey gesagt, dass ich an seiner Stelle den Aufstand unterstützen würde.«
Adela hatte geahnt, dass seine Antwort so ausfallen würde. Dennoch schrie sie auf: »Wie konntest du nur …!«
»Adela …«, Francis’ Stimme klang bittend, »… du weißt doch so gut wie ich, dass sich Henry Plantagenet in den letzten Jahren zu einem Tyrannen entwickelt hat. Um seine Kriege in Wales und Irland zu finanzieren, saugt er das Land aus. Wir können schon jetzt kaum noch die Steuern auf unser Land bezahlen. Dabei gehören wir noch zu den besser gestellten Leuten. So viele Menschen wurden von ihren Gütern vertrieben und müssen nun betteln. Andere wurden in die Knechtschaft gezwungen. Und wer garantiert uns, dass der König die Steuern demnächst nicht noch einmal erhöhen wird?«
Sie wollte seine Argumente nicht hören. »Ach, und du glaubst ernsthaft, dass sich die beiden Königssöhne anders verhalten werden als ihr Vater, wenn sie einmal an der Macht sind?«, gab sie aufgebracht zurück. »Die Herrschenden sind sich doch alle gleich …«
»Ich kann nicht glauben, dass du das ernst meinst.« Francis’ Ruhe entwaffnete Adela ein wenig. »Seit wann bist du nicht mehr bereit, ein Wagnis einzugehen? Ja, die beiden Königssöhne sind noch jung und unerfahren. Aber Menschen entwickeln sich. Vor allem Richard soll ein umgängliches und großzügiges Wesen haben. Warum sollte er es nicht auch als König beibehalten?«
Als Adela zornig schwieg, fasste Francis nach ihren Händen und streichelte sie. »Ich bin mir darüber im Klaren, dass du dich wegen deiner Mutter König Henry verbunden fühlst. Schließlich ist er ja der Sohn ihrer Herrin, und er hat dafür gesorgt, dass deine Mutter ihr Gut in England zurückbekam … Aber ich bezweifle, dass Matilda sein Verhalten gebilligt hätte. Immerhin war sie, bei all ihren schwierigen Seiten, eine gerechte Frau.«
Adela entzog ihm ihre Hände. In Momenten wie diesen wünschte sie sich manchmal, Francis besäße ein ähnlich hitziges Temperament wie ihr Vater und würde nicht ruhig und vernünftig argumentieren. Denn dann hätte sie ihn wenigstens guten Gewissens anschreien können. »Es geht mir überhaupt nicht um Henry Plantagenet«, gab sie trotzdem heftig zurück. »Er ist mir völlig gleichgültig. Außerdem hat ihm meine Mutter bei der Geburt das Leben gerettet. Deshalb stehen wir wegen des Gutes nicht in seiner Schuld. Er hat höchstens eine alte Schuld meiner Mutter gegenüber beglichen. Nein, es ist nur …« Plötzlich wurde ihr die Kehle eng, und Tränen traten ihr in die Augen. Zornig wischte Adela sie weg.
»Ja …?«, fragte Francis sanft.
Adela schluckte und senkte den Kopf. »In den letzten Wochen vor ihrem Tod war meine Mutter häufig nicht mehr richtig bei sich«, sagte sie leise. »Ihr Geist wanderte in die Vergangenheit. Immer wieder erzählte sie davon, wie sie während des Kriegs zwischen Matilda und Stephen
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