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Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)

Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Sauer
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Weberei. An sechs der zehn Webstühle wurde, wie sie sah, nicht gearbeitet. Bei ihrem letzten Besuch waren nur vier nicht in Gebrauch gewesen. Die Stoffe, an denen die Gesellen arbeiteten, bestanden aus grauem Garn und waren von minderer Qualität. Hoffentlich wird mir Meister Edwin die Wolle abkaufen , durchfuhr es sie.
    Adela fand Edwin, einen kantigen, um die dreißig Jahre alten Mann, in der Kammer neben der Weberei, wo er ein Tuch mit einer Elle abmaß. Das gleichmäßige Klacken, mit denen die Tritte der Webstühle auf dem gestampften Lehmboden aufschlugen, und die dumpfen Geräusche, wenn die Kämme die Fäden gegen die Warenbäume drückten, drangen aus der Werkstatt zu ihnen herein.
    Edwin schüttelte den Kopf. »Falls Ihr mir gesponnene Wolle verkaufen wollt, kann ich sie nicht nehmen«, sagte er und machte Adelas Befürchtungen wahr.
    »Aber als ich das letzte Mal hier war, habt Ihr mir doch versprochen, mir die Wolle abzukaufen«, weigerte sich Adela, seine Worte zu akzeptieren. »Ich habe den ganzen letzten Monat daran gearbeitet und auf dem Markt zwei Pfund für das Vlies bezahlt.«
    »Ich weiß, dass die Wolle, die Ihr mir bringt, immer sehr fein gesponnen und so gut wie ohne Knoten ist.« Edwin seufzte und legte die Elle neben dem Tuch auf den langen Holztisch. »Aber ein Monat ist eine lange Zeit. Wir haben in den letzten vier Wochen so gut wie nichts verkauft. Selbst die groben Wollstoffe sind den Leuten zu teuer. Ihr wisst doch, wie schwierig die Zeiten sind. Wegen der immer höheren Steuern, die der König eintreiben lässt, verarmen die Leute. Und da nach wie vor in vielen Gebieten der Normandie Krieg herrscht, können die Händler kaum noch Waren dorthin liefern.«
    »Bitte, Ihr müsst mir wenigstens ein paar Garnstränge abnehmen«, beharrte Adela. »Ich weiß sonst nicht, wovon ich meine kleine Tochter ernähren soll.«
    »Das fragen sich heutzutage wahrscheinlich viele Mütter«, murmelte der Meister. Aber er trat zu einer Truhe, schloss sie auf und entnahm ihr einen Lederbeutel, aus dem er einige Münzen abzählte und sie Adela reichte. »Hier, für drei blaue Stränge. Aber kommt so bald nicht wieder und behelligt mich.«
    *
    Adela versuchte, auch in anderen Webereien von Winchester das Garn zu verkaufen. Aber niemand wollte es ihr abnehmen. Am späten Nachmittag ließ sie sich schließlich erschöpft auf eine Mauer am Ufer des Itchen sinken. Ein kalter Wind blies, und sie wickelte sich enger in ihren abgenutzten Mantel. Welkes Laub trieb auf dem Fluss und bildete Teppiche um das Schilf. Über den grauen Oktoberhimmel zog eine keilförmige Formation von Gänsen. Ihr kehliger Schrei war bis zur Erde zu hören. Er erschien Adela sehr traurig.
    Die Münzen, die Edwin ihr gegeben hatte, machten noch nicht einmal ihre Ausgaben wett. Ganz zu schweigen davon, dass nun die Arbeit von vier Wochen vergebens war. Von dem Geld, das sie für den Ring der vornehmen Dame erhalten hatte, war schon seit einer ganzen Weile nichts mehr übrig. Einen Teil hatte sie Caitlyn gegeben, damit diese nicht mittellos war, falls sie beschließen sollte, von dem Gut zu fliehen.
    Den Rest hatten Unterkünfte, Nahrung und Kleidung für sie und Robin aufgebraucht. Denn der Krieg und die hohen Steuern hatten überall die Preise steigen lassen. Adelas Situation hatte sich noch dadurch verschlechtert, dass sie es nicht wagte, ihre Heilkunst auszuüben. In Oxford, wo sie zuerst einige Monate mit Robin gelebt hatte, waren bald nach ihrer Ankunft zwei heilkundige Frauen öffentlich ausgepeitscht und als Zauberinnen aus der Stadt vertrieben worden. Allerorten machte die Armut die Menschen abergläubisch und ängstlich. Adela hatte gefürchtet, als fremde und mittellose Frau schnell den Argwohn der Leute auf sich zu ziehen.
    Auch in Winchester, wohin sie mit Robin im Frühsommer gekommen war, war die Lage nicht besser. So half sie zwar Kranken, wenn sie bemerkte, dass ihre Hilfe benötigt wurde. Aber sie nahm kaum Geld dafür und bot ihre Dienste nicht öffentlich an.
    Wie es Luce wohl gehen mag? , fragte sich Adela. Immer öfter quälte sie die Angst, ihn niemals zu sich holen zu können. In den vergangenen beiden Jahren hatte sie es sich noch nicht einmal mehr leisten können, Ann einen Brief zu schicken.
    »Traurig?«, fragte eine helle Stimme. Überrascht wandte Adela den Kopf. Die Frau, die sich neben sie auf die Mauer geschwungen hatte, war um die zwanzig Jahre alt und offensichtlich eine Hure. Denn ihre hohen Wangenknochen

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