Die Rache der Heilerin: Roman (German Edition)
Strahlen der untergehenden Wintersonne lagen, war jetzt tatsächlich ihr Heim. Ein geflochtener Weidenzaun umgab den Garten, wo sich die Umrisse eines Apfel- und eines Birnbaums schwarz vor dem abendlichen Himmel abzeichneten. Daran schlossen sich zwei kleine Felder und eine Wiese an, auf der im Sommer ihre Kuh grasen würde.
»Ich möchte Lissy melken«, sagte Robin, als hätte sie ihre Gedanken erraten.
»Nein, sie muss erst morgen wieder gemolken werden«, antwortete Adela. »Aber nach dem Essen gehen wir zusammen in den Stall. Dann kannst du ihr Gute Nacht sagen.« Robin liebte die Kuh über alles.
»Ich will runter.« Ihre Tochter begann heftig zu strampeln. Vorsichtig setzte Adela sie auf dem verschneiten Hof ab, wo Robin sofort herumzurennen begann und mit ihren kleinen, in dicken Wollfäustlingen steckenden Händen fröhlich kreischend die Flocken aufwirbelte.
Robin war jetzt drei Jahre alt. Adela war glücklich, ihre Tochter so ausgelassen zu sehen, und doch versetzte ihr der Anblick einen Stich. Seit sie vor sechs Wochen in ihrem neuen Zuhause angekommen waren, war Robin von Tag zu Tag mehr aufgeblüht. Sie lachte, plapperte manchmal pausenlos vor sich hin und sang lauthals. Und wenn ihr etwas nicht passte, konnte sie wie am Spieß schreien. Erst jetzt hatte Adela wirklich verstanden, wie still und brav Robin immer gewesen war. Als hätte sie schon als Säugling intuitiv begriffen, dass ihre Mutter all ihre Energie benötigte, um ihr Überleben zu sichern.
Adela wuchtete den Sack Weizen vom Schlitten, den sie in der Filiale des Klosters von Barking geholt hatte. Dann schob sie den Riegel an der Haustür zurück und rief nach ihrer Tochter. Im Inneren des Hauses, das fast gänzlich aus einer großen Stube bestand, war es im Vergleich zur Kälte draußen angenehm warm.
Sie half Robin, Mantel, Mütze, Schal und Handschuhe auszuziehen – so gute Kleidung hatte ihre Tochter noch nie zuvor besessen, auch diese hatten die Nonnen des Filialklosters von Barking Adela bei einem ihrer Besuche mitgegeben – und brachte den Weizen in die Speisekammer. Während sie anschließend Holz in der Feuerstelle nachlegte und die Suppe für das Abendessen zubereitete, saß Robin auf dem mit Binsen bedeckten Boden auf einer Decke und spielte mit ihrer Strohpuppe.
Der Raum war nicht groß, aber anheimelnd mit seinen niedrigen Balken und dem breiten Bett in der Ecke, auf dem Decken aus ungefärbter Wolle lagen. Ein Holztisch, eine Bank, eine Truhe und ein Regal in der Nähe der Feuerstelle, auf dem Ton- und Holzgeschirr sowie Töpfe standen, vervollständigten die Einrichtung. Außerdem gab es auch noch einen schmalen Webstuhl, auf den braune Wolle gespannt war. Aus dem Stoff wollte Adela für Luce einen Umhang nähen.
Adela holte den kleinen Holzfisch, den Francis für Luce geschnitzt hatte, aus der Tasche ihres Mantels und strich behutsam über das Holz. Wie viel Luce wohl mittlerweile gewachsen ist? , ging es ihr durch den Kopf. Hier wird er sich bestimmt wohl und geborgen fühlen, und Robin wird stolz auf ihren großen Bruder sein. Noch in Reading hatte sie an ihre Schwester geschrieben und ihr mitgeteilt, dass sich ihr Geschick endlich zum Guten gewendet und sie ein Heim gefunden hatten. Im Frühjahr, so hoffte Adela, würde Ann eine sichere Möglichkeit finden, Luce zu ihr zu schicken.
In Reading hatte ihr Schwester Marigold in Matildas Namen Richards Ring überreicht. Adela hatte ihn nicht akzeptieren wollen. Aber die Schwester hatte erklärt, sie sei nicht befugt, das Schmuckstück zurückzunehmen. Richard, so hatte Adela sagen hören, hielt sich im Land auf. Einige Meilen entfernt gab es ein Gut, das ihm gehörte. Sollte er dorthin kommen, so hatte sie beschlossen, würde sie ihn aufsuchen und ihm den Ring wiedergeben. Sie würde nichts von dem Mann annehmen, in dessen sinnlosem Krieg Francis gestorben war.
»Ich habe Hunger …« Ihre Tochter hatte die Strohpuppe auf den Decken schlafen gelegt und war zu ihr an die Feuerstelle getappt. Ihre Locken fielen ihr in den Nacken, und ihr kleines Gesicht schimmerte rosig im Schein des Feuers. Nichts erinnerte mehr daran, dass sie noch vor wenigen Wochen dem Tod nahe gewesen war.
»Das Essen ist gleich fertig, setz dich schon einmal an den Tisch«, sagte Adela, die plötzlich einen Kloß im Hals fühlte. Während Robin auf ein strohgefülltes Kissen kletterte, das auf der Bank lag, füllte Adela die Hafersuppe in zwei Schalen.
Am Tisch rührte Adela Robins Suppe
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