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Die Rache der Horden

Die Rache der Horden

Titel: Die Rache der Horden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William R. Forstchen
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Flüstern.
    Der Telegrafist hob die Meldung vor die Augen und justierte seine Brille. Mit bebender Stimme las er vor.
    »Meldung von General Schuder: die Front wurde von Bastion 85 bis Bastion 90 durchbrochen. Geschätzte mehr als zwanzig Umen greifen an. Empfehle Aufgabe der gesamten Potomac-Linie. Benötige Züge zur Evakuierung von zwei Divisionen aus Bastion 100. Erwarte, dass der Weg nach Suzdal bis zum Anbruch des Morgens abgeschnitten sein wird.«
    Benommen wandte sich Andrew ab und forderte den Sendboten des Unheils mit einem Wink auf, das Zimmer zu verlassen.
    Mit großen Augen sah Andrew Kathleen an.
    »Mein Gott«, flüsterte er. »Sie haben uns in gerade mal drei Tagen besiegt!«
    Sie saß da und schwieg.
    »Ein Jahr lang haben wir geplant, es hier draußen auszukämpfen, sie hier aufzuhalten; dann pflügen sie durch unsere Reihen, wie Hans es befürchtet hatte, und ich konnte es nicht vorhersehen.«
    Er trat an den Kartentisch, zeichnete das Ausmaß des Durchbruchs mit dem Finger nach und schüttelte benommen den Kopf.
    Dann knallte er mit der Faust auf den Tisch.
    »Gott verdamme sie alle!« Kathleen hörte, wie seine Stimme bebte.
    Sie stand auf und trat ihm gegenüber an den Tisch.
    »Falls sie dich schon gebrochen haben«, sagte sie mit einem kalten Unterton, »dann könnte ich genauso gut gleich nach Suzdal zurückkehren, Maddie ersticken und mir dann selbst die Kehle durchschneiden.«
    Erschrocken blickte er zu ihr auf.
    »Ob es dir gefällt oder nicht, alles hängt von dir ab, Andrew Keane.«
    »Ich habe mit meinen Planungen eine Katastrophe herbeigeführt. Ich habe genau das getan, was die Merki von mir erwarteten, und geglaubt, wir könnten sie außerhalb unserer Grenzen stoppen. Dabei hatten wir nie genug Leute. Wir waren zu dünn verteilt, und ich hätte es erkennen müssen. Diese verdammten Aerodampfer konnten uns wie Falken im Auge behalten; sie wussten alles und wir nichts. Ich hätte …«
    »Du hättest sollen, und du hast nicht«, entgegnete Kathleen scharf.
    Er bedachte sie mit einem kalten Blick.
    »Wir haben unter den gegebenen Umstanden unser Bestes getan, aber noch ist es nicht vorbei«, erklärte sie, und ihr Ton klang wieder etwas sanfter.
    Er versuchte, sich ein Lächeln abzuringen.
    »Weißt du«, flüsterte er traurig, »ich fürchte mich gar nicht vor dem Tod, Kathleen. Er stellt sich mir fast als eine Erlösung dar.«
    Er wandte den Blick von ihr ab; die Hütte erzitterte unter einer Artilleriesalve.
    »Es liegt an dem, was ich durchlebe; daran, dass ich alles noch einmal und dann ein weiteres Mal tun muss, scheinbar für immer. Gott, ich bin es so leid! Heute wurde ich geschlagen. Tausende Jungs, die mir vertraut haben, sind tot oder werden es sein, ehe es Morgen wird.«
    »Der Krieg hat gerade erst begonnen«, sagte sie sanft. »Noch viele werden sterben, selbst wenn wir siegen. Aber wir verlieren ganz gewiss, Andrew, falls du dich jetzt selbst hängen lässt.«
    Sie kam um den Tisch herum und ergriff seine Hand mit einer Sanftheit, die nach dem kurzen Aufblitzen von Zorn überraschend wirkte.
    »Ich muss zurückkehren, muss die Verwundeten beim Abtransport begleiten. Der Rest liegt bei dir, mein Liebster.«
    Sie blickte ihm einen Moment lang suchend in die Augen und fragte sich dabei, was sich verändert hatte, was verloren gegangen war. Sie erinnerte sich daran, wie sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, während er in der Offiziersmesse der Ogunquit schlief: die zerbrechliche, schmale Gestalt ausgestreckt, die jungenhaften Züge sogar im Schlaf von Schmerz gezeichnet. Schon damals war er dicht an der Grenze der Belastbarkeit gewesen; dafür hatten drei lange Kriegsjahre gesorgt. Trieb ihn der jetzige Krieg schließlich über diese Grenze?
    Sie hatte sich selbst geschworen gehabt, niemals einen Soldaten zu heiraten, nicht, nachdem sie ihren früheren Verlobten bei Bull Run verloren hatte. »Meine liebste Kathleen«, so begann sein letzter Brief, »falls deine liebevollen Augen jemals diese Worte lesen, bedeutet es, dass wir einander nie mehr sehen werden.«
    Das hatte sie beinahe umgebracht, und doch entwickelte sie letztlich Liebe für diesen sanften, starken und jetzt auch verängstigten Mann. Sie liebte ihn aufgrund dieser Angst nur umso mehr – dieser Angst, geboren aus einer viel zu lange getragenen, schrecklichen Last, die in seinem Traum von Freiheit für eine ganze Welt bestand. Irgendwie musste Kathleen ihn jetzt mit ihrer eigenen Seele erfüllen, um die Kraft zu

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