Die Rache der Horden
gut.«
Tamuka schüttelte Hulagars Hand ab und schämte sich, weil er kurz der Angst zum Opfer gefallen war. Und doch war es selbst für den Qar Qarth akzeptabel, wenn er Angst zeigte, sobald die Fackeln Worgs am Himmel aufleuchteten, denn schließlich brannten sie mit dem Feuer eines Gottes. Tamuka wendete das Pferd und blickte zu der Stelle hinüber, wo Jubadi saß, kaum erkennbar im Licht einer unstet flackernden Fackel; dann wollte er das Pferd antreiben. Hulagar griff ihm jedoch an den Zügel, und Tamuka sah ihn wütend an.
»Tu es nicht!«, zischte Hulagar. »Es steht dir nicht zu. Du treibst dich selbst zu hart voran.«
»Wir haben sie an der Gurgel! Du hast sie fliehen gesehen; du hast das Gemetzel miterlebt, als ihre Linie brach!«
»Ja«, sagte Hulagar leise, »und ich habe dich in der Vorhut gesehen. Ich habe gesehen, wie du mit Freude im Blick flüchtendes Vieh niedergehauen hast. Ist das noch ein Schildträger?«
Tadel schwang nachdrücklich in seinem Ton mit, und Tamuka blickte unbehaglich auf.
»Der Kampf ist nicht unsere Aufgabe; unsere Aufgabe ist es, zu beschützen und zu beraten und nicht selbst das Blut des Feindes zu nehmen. Sollen unsere Qarths das tun!«
Spürte Hulagar es denn nicht?, fragte sich Tamuka. Diese Schlacht diente nicht der Freude und nicht dem Beweis des eigenen Namens. Dies hier ging über Krieg hinaus, war ein Ringen um das Überleben der Horde, aller Horden, sogar der in Schande gefallenen Tugaren und der verfluchten Bantag, die nach wie vor ihren eigenen Ritt gen Osten fortsetzten und den Merki die blutige Bürde überließen, sie alle zu retten.
Wie seltsam sie war, diese Lust. Vor einem Jahr noch hatte Tamuka geglaubt, er hätte sich gelöst von allen Dingen, außer dem Weg des Begreifens, dem Aufstieg zum reinen kristallklaren Licht des Schildträgers.
Er musterte die Versammlung und erblickte Vuka an der Seite seines Vaters, und Tamuka empfand Verachtung. Er erinnerte sich an Vuka beim Angriff, wie er ganz vorn mitgeritten war, als alle es sehen konnten; wie er dann jedoch im Augenblick des Grauens ein Stück zurückblieb, als sie die Linie mit den Fallgruben durchquerten, wo Pferde schreiend stürzten, dann die Flanke zu den Wällen hinauf, wo sich Vieh erhob und ihnen direkt in die Gesichter schoss. Vuka fiel nicht weit genug zurück, um auffällig zu werden, aber doch genug, um sich zu schützen.
Das war nicht die kluge Entscheidung eines Qar Qarth, eines Häuptlings, der wusste, dass er zuzeiten andere nach vorn stürmen lassen musste, um sich nicht sinnlos der Gefahr auszusetzen. Nein, Vukas Verhalten war anders, war Ausdruck einer beharrlichen Furcht. Es war in Ordnung, wenn Vieh sich wie Vieh benahm, und es war in Ordnung, sich rasch die Klinge mit dessen Blut zu befeuchten. Aber in einer Situation, in der das Vieh den Tod brachte, einen letztlich ehrlosen Tod ohne Ehre, da zeigte Vuka Angst.
Dieser Anblick hatte in Tamuka den Irrsinn entfesselt, und er war nach vorn gesprungen, hatte den Schild von Vukas Seite gesenkt, das Krummschwert gezückt und war über die Brüstung gestürmt. Sein Pferd fiel, rollte strampelnd und schreiend in die feindliche Festung hinab, und das Stück Vieh, das das Tier niedergeschossen hatte, stand keuchend da, das Gesicht bleich und abgespannt. Der Mann hob die Faustfeuerwaffe erneut und drückte den Abzug, aber der Hahn schlug auf eine leere Kammer.
Tamuka dachte mit einem inneren Schaudern daran zurück. Er hatte in diesem Augenblick geglaubt, er wäre so gut wie tot, niedergestreckt von der Hand eines bloßen Tieres, und das hatte ihn mit Wut erfüllt.
Das Stück Vieh war nicht schnell gestorben, dafür sorgte er. Er nahm sich Zeit für die Schwerthiebe – erst die Arme, ehe der tödliche Hieb gegen den Kopf erfolgte.
Vuka lachte über diesen Anblick und tauchte das eigene Schwert in die offenen Wunden des Mannes, als wäre er seine Beute; dann lief er weiter.
Nein, Hulagar hatte das nicht mitempfunden und spürte immer noch nicht, wie mörderisch diese Auseinandersetzung wirklich war.
»Falls wir jetzt nachsetzen«, sagte Tamuka kalt, »können wir bis zum Morgen ihre beide Straßen aus Eisenstreifen unterbrechen.«
»Die Umen sitzen seit gestern Nachmittag im Sattel und haben dabei über hundertfünfzig Kilometer überbrückt!«, hielt ihm Hulagar scharf entgegen. »Wir haben eine Schlacht geschlagen, und unsere Pferde brechen vor Erschöpfung schier zusammen. Falls wir jetzt die ganze Nacht weitermachen, könnte
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