Die Rache der Horden
steckte diesen Rest in die Tasche zurück.
»Zwei Stunden bis zur Morgendämmerung.«
Andrew nickte schweigsam.
Es goss in Strömen, und er sprach lautlos ein Dankgebet.
Geduckt spähte er in den dahinjagenden Regendunst, und die Fluten des Potomac liefen ihm über die Stiefel.
Er konnte sie am anderen Ufer hören, wo ihre Rufe widerhallten. Sie arbeiteten nach wie vor daran, obwohl der Pegel durch den seit Anbruch der Nacht tobenden Sturm schon gestiegen war.
Ein Blitz leuchtete dort drüben auf, und ein Sprühregen Kartätschengeschosse peitschte über den Fluss; sie prasselten in die schlammverkrusteten Wälle hinter Andrew.
Noch war der Angriff nicht eröffnet. Die Nacht und das Wetter hatten sich zumindest vorläufig darauf verständigt, Andrew bei der Rettung seiner Armee zu helfen.
»Gehen wir«, flüsterte Andrew. Er drehte sich um und mühte sich den rutschigen Hang hinauf, und schlammverkrustete Burschen zogen und schoben ihren Kommandeur zurück über den Wall.
Barney stand hier vor ihm, kaum erkennbar im Sturm.
»Sie wissen, was jetzt zu tun ist«, sagte Andrew.
»Weiterfeuern bis etwa eine Stunde vor Sonnenaufgang. Dann die Kanonen vernageln und uns wie der Teufel zur Bahnlinie zurückziehen.«
»Ich denke nicht, dass die Merki schon vor dem Morgengrauen etwas unternehmen. Es ist einfach zu dunkel, um die Flöße zu Wasser zu lassen.«
»Um meinetwillen hoffe ich das«, sagte Barney und zwang sich zu einem grimmigen Lachen.
Andrew gab ihm einen Klaps auf den Rücken.
»Wir sehen uns am Neiper«, sagte er. Er erwiderte Barneys militärischen Gruß und ging weiter.
Auf dem ganzen Weg zurück ins Hauptquartier behielt er den Poncho an. Das Ding war die alte Einheitsgröße der Nordstaatenarmee. Wer immer diesen Schnitt bewilligt hatte, musste zwergwüchsig gewesen sein, dachte Andrew kalt. Bei einem Menschen von über einsachtzig reichte der Poncho kaum über die halben Oberschenkel, und die nasse Wolle der Hose klebte an Andrews spindeldürren Beinen.
Er blickte sich in der Hütte um. Alle Karten und seine persönliche Habe waren schon verladen. Er ging ins Hinterzimmer, und der Telegrafist blickte besorgt auf.
»Irgendeine Nachricht?«
»Bei Bastion 60 sind sie knapp an Zügen. Wie Sie befohlen haben, vernageln sie dort die Geschütze und schieben sie von den Güterwagen, um den nötigen Platz freizumachen und das letzte Regiment herauszuholen.«
»Warten Sie eine Minute.« Er hob die Hand, als die Taste wieder losklapperte.
Er tippte eine kurze Antwort und blickte auf.
»Die Telegrafenstation von Bastion 60 macht dicht. Der letzte Zug fährt gerade aus. Alle Männer sind eingestiegen.«
Andrew nickte, und der Telegrafist blickte wieder auf den Meldungszettel.
»Alle Positionen östlich von hier wurden aufgegeben und geräumt. Die beiden Züge, die von Nummer 60 kommen, müssten innerhalb einer Stunde auf der Heimatstrecke sein. Einige Merki konnten fünfzehn Kilometer westlich von hier herüberkommen, aber wir haben sie kurz vor der Bahnlinie aufgehalten. Alle Männer von unserer Front sind weg, abgesehen von den beiden Regimentern Barneys. Das ist alles, Sir.«
»Machen Sie zu; wir brechen auch auf.«
Der Telegrafist nickte dankbar und tippte eine kurze Meldung. Sekunden später riss er die Taste von der Leitung und sammelte behutsam die nassen Batterien ein, die er in einen Tragekasten packte.
»Alles abgeschaltet, Sir.«
»Dann gehen wir«, sagte Andrew.
Er ging hinaus in den Sturm und warf einen abschließenden Blick in die Runde.
»Ein Jahr Planungen«, flüsterte er, tadelte sich selbst mit einem leisen Fluch und stieg in den wartenden Waggon.
Seine Stabsoffiziere drängten sich um den qualmenden Ofen, und der Geruch von nasser Wolle hing hier dick in der Luft. Mehr als einer der jungen Offiziere war schon eingeschlafen und hatte sich zwischen Haufen von Ausrüstungsgegenständen zusammengerollt.
»Fahren wir nach Hause«, flüsterte Andrew. Sekunden später ruckte der Zug an und folgte dem Nebengleis zur Hauptweiche, um von dort auf die Strecke nach Suzdal zu schwenken.
»Was zum Teufel meinen Sie damit, Sie könnten keinen weiteren Zug hinaufschicken?«, brüllte Pat, der über dem Bahnhofsvorsteher aufragte, als wäre er bereit, ihn umzubringen.
»Der Regen hat die Gleise an zwei Stellen unterspült: einmal fünfzehn Kilometer unterhalb von hier, die andere Stelle hinter den von der Front kommenden Zügen. Dadurch ist die Strecke verstopft. Es wird ein paar
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