Die Rache der Horden
Strecke wurde eine grüne Lampe an einem Pfosten hochgezogen und verkündete, dass die Weiche frei war.
Der Lokführer zog den Gashebel herunter, und der Zug fuhr mit einem Ruck an.
»Wie spät ist es?«, fragte Gregori.
»Anderthalb Stunden bis Sonnenaufgang«, antwortete Pat leise.
»Wir kommen dort nie rechtzeitig an.«
»Wir müssen einfach«, entgegnete Pat kalt.
Gregori schwieg. Er umfasste die Tasse mit zitternden Händen und wandte sich ab.
An diesem Morgen gab es keinen Sonnenaufgang.
Tamuka bewegte sich unbehaglich, als die ersten Nargas schmetterten. Er klappte die schwere Filzdecke auf, die ihn vor dem schlimmsten Regen geschützt hatte, und stand auf. Die Welt lag grau da, und Himmel und Horizont waren eins. Alles war klatschnass, und Regen tropfte von den Flanken seines Pferdes.
Er packte den Sattel, der ihm als Kopfkissen gedient hatte, legte ihn auf den Rücken des Pferdes und schloss den rutschigen Gürtel unter dem Bauch des Tieres. Das Bogenfutteral aus Ölzeug hängte er hinter den Sattel, ehe er sich das Schwert umschnallte. Er zog das Kettenhemd hervor, das in einer Decke aus eingefettetem Filz steckte, und zog es rasch an, ehe er sich den Helm aufsetzte und schließlich den Bronzeschild auspackte und sich auf den Rücken hängte.
Die Nargas schmetterten von neuem. Tamuka wandte sich in die Richtung, die er als Osten einschätzte, verneigte sich tief und sang dabei das Gebet an den neuen Tag in Richtung des immer währenden Rittes. Dann kniete er sich ins nasse Gras und verbeugte sich nach Westen, grüßte so die weichende Nacht und den immer währenden Himmel der Ahnen.
Nun zog er einen Lederbeutel unter dem Hemd hervor und nahm eine Hand voll Trockenfleisch und Quarkstücke heraus. Er kaute seine Mahlzeit geistesabwesend und spülte sie mit abgestandenem Wasser herunter. Dann ging er ein Stück weit von seiner Schlafstelle weg und wandte sich nach Norden, um sich zu erleichtern. Als er endlich fertig war, stieg er in den Sattel und verzog leicht das Gesicht, dieweil der nasse Sattel ihm kaltes Missbehagen bereitete.
Er blickte auf das Gras hinab. Es würde schwierig werden, die Richtung zu finden. Gewöhnlich neigten sich die Halme leicht nach Osten, denn so wuchsen sie unter dem Wind, der sie aus dem Boden lockte. Alle Manöver würden schwierig sein, so dick waren die Wolken, die die Sonne komplett verdeckten. Die Merki mussten sich am Wind in ihrem Rücken orientieren. Alle fünfzig Meter würde man Signalwimpel einsetzen müssen, zumindest, bis sich der dicke Regendunst verzog, nachdem der Sturm abgezogen war.
Damit hatte niemand gerechnet.
Aufs Neue schmetterten die Nargas, und die Träger der blauen Flaggen, die den Weg des Vormarsches markierten, galoppierten aus dem Lager des Qar Qarth. Die Armee würde sich jetzt aufteilen: eine Hälfte schwenkte direkt nach Osten, während sich die andere nach Norden wandte, um alle Feinde abzuschneiden, die noch in der Falle saßen, und sich dann mit den Vushka zu vereinigen und mit ihnen in nordöstlicher Richtung dem Tugarenweg in den Wald und zur Furt des Neiper zu folgen.
Vuka kam aus der kleinen Feldjurte seines Vaters zum Vorschein und schwang sich wortlos in den Sattel, und Tamuka folgte ihm genauso schweigsam.
»Geben Sie Signal zum Halten, aber leise.«
Hans zügelte das Pferd. Schattengestalten, die beiderseits der Bahnlinie dahinschlurften, blieben stehen; Befehle, gedämpft von Regen und Nebel, liefen die Reihe entlang. Fluchende Soldaten ließen sich fallen. Nass bis auf die Haut, so saßen sie im Schlamm und scherten sich nicht darum, wie ungemütlich das war.
Ein dumpfes Krachen lief durch den Nebel.
Hans blickte auf und versuchte die Richtung zu schätzen.
Ein weiteres, gedämpftes Krachen klang durch die Reihen. Männer rührten sich und blickten in die Richtung zurück, aus der sie seit Mitternacht marschiert waren.
»Geschützfeuer«, sagte Ingrao, blickte nach Westen und versuchte die Richtung zu bestimmen, in der geschossen wurde.
Dunkle, graue Gespenster zogen durch den klebrigen Nebel. Die ganze Welt hatte nur noch eine Farbe, zeigte lediglich Grauschattierungen. Männer und Pferde bewegten sich wie Schatten.
»Ich spüre etwas«, sagte ein junger Soldat, kniete sich hin und drückte das Ohr an den Boden.
Hans schwang sich aus dem Sattel und hockte sich neben den Jungen. Er erinnerte ihn an einen indianischen Späher, der auf der gewaltigen Prärie des westlichen Kansas nach Pferdegetrappel
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